Dr. Daniel Faulenbach, Peter Friedhofen
Rz. 72
Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen bereiten die Fälle, in denen die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers bzw. sein Status als arbeitnehmerähnliche Person (die, wie oben ausgeführt, zur Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen gem. § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG führt) streitig ist bzw. in denen sich nicht die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen aus einer ausdrücklichen Rechtswegszuständigkeitsbestimmung (wie z.B. beim Entwicklungshelfer) ergibt. Bei der Prüfung der arbeitsgerichtlichen Rechtswegzuständigkeit sind dabei mehrere Fallgruppen zu unterscheiden. Die drei Fallgruppen der Sic-non-Fälle, der Aut-aut-Fälle und der Et-et-Fälle hat die Rechtsprechung im Hinblick auf die Frage entwickelt, welche Anforderungen an das klägerische Vorbringen zur Begründung der Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte in Abgrenzung zu den ordentlichen Gerichten zu stellen sind.
1. Sic-non-Fall
Rz. 73
Ein Sic-non-Fall liegt vor, wenn der erhobene Anspruch nur auf eine Anspruchsgrundlage gestützt werden kann, die eindeutig in die Rechtswegzuständigkeit des angerufenen Gerichtes fällt und dabei fraglich oder bestritten ist, ob die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage vorliegen.
Rz. 74
Beispiele
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Der Kläger, der nach Auffassung der Beklagten als selbstständiger Handelsvertreter eingestellt und beschäftigt worden ist, wendet sich gegen eine ordentliche Kündigung seines Rechtsverhältnisses mit dem Feststellungsantrag nach § 4 Abs. 1 S. 1 KSchG mit der Begründung, er habe in Wahrheit mit einem solchen Grad persönlicher Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit Arbeit geleistet, sodass sein Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu werten sei und deshalb sei die ordentliche Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt. Der Antrag lautet: "Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht und dieses nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom aufgelöst worden ist." |
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Der im Handelsregister eingetragene Fremdgeschäftsführer einer GmbH wendet sich gegen die ordentliche Kündigung des der Organbestellung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses mit der Klage nach § 4 Abs. 1 S. 1 KSchG und behauptet dazu, er stehe zur Beklagten nicht in einem freien Dienstverhältnis, sondern aufgrund des Grades der persönlichen Abhängigkeit in einem Arbeitsverhältnis. |
Rz. 75
In den Beispielsfällen ist die sog. Rechtswegkompetenz der Arbeitsgerichte für die Entscheidung über Bestehen der Arbeitnehmereigenschaft als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes zweifellos gegeben. In den vorgenannten Fällen ist der Vortrag des Klägers, er sei Arbeitnehmer, sowohl für die Rechtswegzuständigkeit des angerufenen Arbeitsgerichtes als auch für die materielle Begründetheit der Klage entscheidend. Die sog. zuständigkeits- und anspruchsbegründenden Tatsachen fallen zusammen. Man spricht von doppelrelevanten Tatsachen. Die Klage kann also nur dann Erfolg haben, wenn der Kläger in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten steht. Im Rahmen der Prüfung und Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit, über die vorab durch Beschluss zu entscheiden ist, bedarf es keiner Beweisaufnahme über das Vorliegen der Arbeitnehmereigenschaft des Klägers. Dafür reicht der schlüssige Vortrag des Klägers aus. Damit ist die Rechtswegzuständigkeit gegeben. Kommt das angerufene Arbeitsgericht, dessen örtliche Zuständigkeit hier unterstellt wird, im Rahmen der Prüfung der Begründetheit der Klage zum Ergebnis, dass für die Arbeitnehmereigenschaft schlüssig vorgetragen ist und der Vortrag der Beklagten insoweit unerheblich ist, ist die Arbeitnehmereigenschaft gegeben. Kommt das Arbeitsgericht zum Ergebnis, dass über die Arbeitnehmereigenschaft im Rahmen der materiellen Begründetheit der Klage Beweis zu erheben ist, so ist eine entsprechende Beweisaufnahme durchzuführen. Ergibt die Beweisaufnahme, dass kein Arbeitsverhältnis vorliegt, ist die Klage als unbegründet abzuweisen. In diesem Fall kommt eine Verweisung an ein Gericht eines anderen Rechtsweges nicht in Betracht, weil es in diesen Beispielsfällen nur um die Entscheidung über einen Anspruch, für den die Arbeitsgerichtsbarkeit zweifellos rechtswegzuständig ist, geht und weitere Ansprüche, die möglicherweise mit arbeitsrechtlichen Anspruchsgrundlagen in Konkurrenz stehen, nicht geltend gemacht sind. Kommt das Arbeitsgericht zum Ergebnis, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, muss es über den Urlaubsabgeltungsanspruch bzw. über die soziale Rechtfertigung der ordentlichen Kündigung entscheiden.
Rz. 76
In den Fällen, in denen das Arbeitsgericht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses verneint, ergeht wie gesagt klageabweisendes Sachurteil. Keinesfalls wird der Rechtsstreit verwiesen. Dazu hat das BAG wörtlich ausgeführt: "Wird der Rechtsstreit nicht verwiesen, erhält der Kläger eine – wenn auch kl...