Dr. Daniel Faulenbach, Peter Friedhofen
Rz. 13
Nach Eintritt der Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses wird der Rechtsstreit mit Eingang der Akte bei dem Adressatgericht anhängig, § 17b Abs. 1 S. 1 GVG. Die Versendung der Akte darf allerdings erst nach Eintritt der Rechtskraft erfolgen. Die Wirkungen der Rechtshängigkeit bleiben bestehen, § 17b Abs. 1 S. 2 GVG. Der Verweisungsbeschluss nach § 17a Abs. 2 GVG stellt für das Adressatgericht und alle Instanzen den zulässigen Rechtsweg verbindlich fest. Die Bindungswirkung besteht nur dann nicht, wenn der Beschluss offenbar gesetzeswidrig ist. Die materiell-rechtlichen Wirkungen der Klageerhebung treten schon bei Einreichung der Klage bei dem unzuständigen Gericht ein. Dasselbe gilt für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage bei einem unzuständigen Gericht.
Rz. 14
Der rechtskräftige Verweisungsbeschluss bindet auch dann, wenn er fehlerhaft zustande gekommen ist oder wenn er inhaltlich unrichtig ist. Selbst grundlegende Fehler und Irrtümer können grundsätzlich nur im Rahmen der sofortigen Beschwerde nach § 17a Abs. 4 GVG bzw. im Rahmen der Beschwerde, wenn sie in dem Beschluss zugelassen worden ist, berücksichtigt werden. Nach Ablauf der Beschwerdefrist besteht nur dann keine Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses, wenn dieser schlechterdings nicht als im Rahmen des § 17a Abs. 2 S. 1 GVG ergangen anzusehen ist, weil er auf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss. Willkür liegt nur vor, wenn dem Verweisungsbeschluss jede rechtliche Grundlage fehlt und er bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist.
Rz. 15
Entscheidet das Arbeitsgericht über die Zulässigkeit des Rechtsweges in der Hauptsacheentscheidung selbst, weil eine Rüge durch die Parteien nicht erhoben worden ist, tritt die Bindungswirkung unmittelbar ein. Eine erstmalige Rüge in der Rechtsmittelinstanz ist nicht möglich, § 17a Abs. 5 GVG i.V.m. § 65 ArbGG. Entscheidet das Arbeitsgericht entgegen § 48 Abs. 1 i.V.m. § 17a Abs. 3 S. 2 GVG trotz einer Rüge ohne Vorabentscheidung in der Hauptsache selbst, tritt eine Bindungswirkung gem. § 17a Abs. 5 GVG nicht ein. Es ist streitig, ob die beschwerte Partei wahlweise sofortige Beschwerde gem. § 17a Abs. 4 S. 3 GVG oder das Rechtsmittel einlegen kann, das gegen die Hauptsacheentscheidung gegeben ist.
Rz. 16
Ist eine Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses ausnahmsweise zu verneinen, kann die Wirkung des § 17b Abs. 1 S. 1 GVG, nämlich das Anhängigwerden beim Adressatgericht, nicht eintreten. Der Rechtsstreit bleibt bei dem verweisenden Gericht anhängig, er ist von dem Adressatgericht an das Ausgangsgericht zurückzugeben. Kommt es trotz der Regelungen der §§ 17a ff. GVG zu einem negativen Kompetenzstreit zwischen Gerichten verschiedener Gerichtsbarkeiten, gibt es keine ausdrücklich im Gesetz vorgesehene Lösungsmöglichkeit. Zur Vermeidung einer Rechtsverweigerung bleibt dann nur noch die Möglichkeit, § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO entsprechend anzuwenden. Die Bestimmung des zuständigen Gerichtes hat trotz der Neuregelung in § 36 Abs. 2 und 3 ZPO durch das Oberste Bundesgericht zu erfolgen, das zuerst in der Sache angegangen wurde.
Rz. 17
Gem. § 17 Abs. 2 S. 1 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Art. 14 Abs. 3 S. 4 und Art. 34 S. 3 GG bleiben unberührt. Damit ist das rechtswegzuständige Gericht berechtigt und verpflichtet, alle Anspruchsgrundlagen zu prüfen, auch wenn sie eigentlich in einem anderen Rechtsweg zu prüfen wären. Der Umfang der Entscheidungsbefugnis gilt nur für den jeweiligen prozessualen Anspruch, wenn er auf Grundlagen beruht, die verschiedenen Rechtswegen zugeordnet sind. Ist es hingegen so, dass die Streitgegenstände verschiedenen Rechtswegzuständigkeiten zugehören, so ist nach bestrittener Meinung abzutrennen und zu verweisen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Entscheidung des BAG vom 11.6.2003. Danach findet § 2 Abs. 3 ArbGG keine Anwendung, wenn die Zuständigkeit für die Zusammenhangsklage allein aus der Verbindung mit einem Sic-non-Antrag folgen kann. Auf diese Entscheidung wird noch im Folgenden eingegangen werden.