Rz. 27
Zwar ist der Arbeitgeber im Außenverhältnis gegenüber dem Sozialversicherungsträger der einzige Beitragsschuldner, doch soll er nach dem gesetzlichen Konzept die Beiträge zur Arbeitslosen-, Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung nur etwa zur Hälfte tragen. Der Ausgleich erfolgt durch einen Rückgriffsanspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer, der sich auf den Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag bezieht und in § 28g SGB IV geregelt ist. Dieser Rückgriffsanspruch besteht nicht, solange und soweit der Arbeitgeber ausnahmsweise auch im Innenverhältnis zum Tragen der Beiträge verpflichtet ist. Dazu kommt es – neben den außerhalb des Profisports seltenen Fällen der Netto-Lohnabrede – insbesondere in den Fällen des § 20 Abs. 3 SGB IV, also zum einen bei Beschäftigung von Auszubildenden gegen eine Vergütung von nicht mehr als 325 EUR, zum anderen während eines freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahrs oder eines Bundesfreiwilligendienstes.
Rz. 28
Ausweislich § 28g S. 2 SGB IV kann der Arbeitgeber seinen Rückgriffsanspruch ausschließlich durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend machen. Rechtsdogmatisch handelt es sich also um eine Aufrechnung des Anspruchs des Arbeitgebers auf (teilweise) Erstattung der von ihm getragenen Beiträge gegen den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt. Diese Aufrechnungsbefugnis ist jedoch auf die Abrechnung, die den Abzug regulär hätte aufweisen müssen, und im Übrigen auf die nächsten drei Lohn- oder Gehaltszahlungen beschränkt, § 28g S. 3 SGB IV. Unter Lohn- und Gehaltszahlungen sind dabei alle Zahlungen zu verstehen, auch Nachzahlungen etc.
Rz. 29
Das hat einige gravierende Auswirkungen. Die Regelung hat zunächst einmal den Charakter einer Ausschlussfrist, da ein – aus welchem Grund auch immer – zunächst versäumter Rückgriff nach recht kurzer Zeit schlicht ausgeschlossen ist. Nur wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist, kann er noch nachgeholt werden, § 28g S. 3 SGB IV. Am Verschulden fehlt es, wenn der unterbliebene Abzug auf einer unzutreffenden Auskunft der Einzugsstelle oder einer Beratungs- und Auskunftsstelle gem. §§ 14, 15 SGB I beruht. Irrtümer des Arbeitgebers, die nicht von Seiten der Einzugsstellen verursacht worden sind, sind indes verschuldet. Denn der Arbeitgeber ist öffentlich-rechtlich verpflichtet, sich bei Zweifeln zu erkundigen. Immerhin genießt der Arbeitgeber bei einer Änderung der Rechtsprechung Vertrauensschutz. Er darf grundsätzlich auf den Bestand der Rechtsprechung vertrauen, es sei denn, er ist über eine Änderung positiv unterrichtet worden.
Rz. 30
Da der Rückgriff im Wege der Aufrechnung erfolgt, können jedenfalls im Fall nachgeholten Beitragsabzugs Aufrechnungsverbote bestehen und ist der Arbeitgeber insbesondere auch an die Grenzen der Aufrechnung gem. § 394 BGB (Pfändungsfreigrenzen) gebunden. Auch wenn die Sozialversicherungsträger größere Beträge nachfordern, ist die Rückgriffsmöglichkeit des Arbeitgebers also auf deutlich weniger als drei Monatsgehälter des Arbeitnehmers beschränkt. Das Nachzahlungsrisiko ist zwischen den Arbeitsvertragsparteien mit anderen Worten sehr ungleich verteilt, was vor allem im Fall der nachträglichen Feststellung der Sozialversicherungspflicht (wie beim Aufdecken einer Scheinselbstständigkeit) deutlich zu Tage tritt.
Rz. 31
Ist das Arbeitsverhältnis beendet, kommt ein Beitragsabzug überhaupt nicht mehr in Betracht, da (außer im Falle von Nachzahlungen) kein laufendes Arbeitsentgelt mehr gezahlt wird, mit dem aufgerechnet werden könnte. In diesem Falle hat der Arbeitgeber also auch den Arbeitnehmerbeitrag wirtschaftlich selbst zu tragen. Allenfalls im sehr seltenen Ausnahmefall mag in Betracht kommen, den Beitragsanteil des Arbeitnehmers über zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen einzufordern, etwa nach § 670 BGB oder, sofern entsprechender Vorsatz des Arbeitnehmers vorliegt, nach § 826 BGB. Ein solcher seltener Fall liegt z.B. vor, wenn ein Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis kündigt oder eine Kündigung seitens des Arbeitgebers veranlasst, nur um damit zu erreichen, dass Beiträge nicht mehr im Lohnabzugsverfahren einbehalten werden können.
Rz. 32
§ 28g S. 4 SGB IV enthält einige wenige Ausnahmen von der Beschränkung der Aufrechnungsbefugnis des Arbeitgebers. Die praktisch relevanteste Ausnahme betrifft den Fall, dass der Beschäftigte selbst seinen Mitteilungspflichten nach § 28o Abs. 1 S. 1 und 2 SGB IV vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Dies betrifft insbesondere die Pflicht des Beschäftigten, dem Arbeitgeber die für die Durchführung des Meldeverfahrens notwendigen Daten und Informationen zu überlassen.
Rz. 33
Möchte der Arbeitnehmer sich gegen einen von ihm für unberechtigt erachteten Lohnabzug wehren, so ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben. Der Arbeitnehmer hat dann Feststellungsklage gem. § 55 SGG darauf zu erheben, dass ihm zu Unrecht Beiträge abgezogen worden sind.
Rz. 34
Für Klagen des Arbeitge...