a) Zweck der Wertfestsetzung
Rz. 98
Zum Schutz der Beteiligten vor der Verschleuderung von Grundvermögen in der Versteigerung hat das Versteigerungsgericht den Verkehrswert des Grundstücks von Amts wegen festzusetzen, §§ 74a, 85a ZVG. Der Verkehrswert ist nach der Definition in § 194 BauGB der
Zitat
"Preis, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks … ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre."
b) Methoden der Wertermittlung
Rz. 99
Am 1.1.2022 ist die neue Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV 2021) in Kraft getreten. Mit der neuen Verordnung soll stärker als bisher sichergestellt werden, dass die Bodenrichtwerte und auch die sonstigen für die Wertermittlung erforderlichen Daten bundesweit nach einheitlichen Grundsätzen ermittelt werden. Auch die Ermittlung der Verkehrswerte durch private Gutachter soll möglichst bundesweit nach diesen Grundsätzen erfolgen.
Rz. 100
Die Verordnung sieht folgende Verfahren vor:
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das Vergleichswertverfahren, |
▪ |
das Ertragswertverfahren, |
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das Sachwertverfahren. |
Rz. 101
Die neue ImmoWertV tritt an die Stelle der ImmoWertV 2010, die sich auf die Regelung allgemeiner Grundsätze für die Wertermittlung beschränkte. Detaillierte Regelungen zur Ermittlung des Bodenrichtwerts und der verschiedenen Wertermittlungsverfahren befanden sich bisher in einzelnen Richtlinien (Bodenrichtwertrichtlinie, Sachwertrichtlinie, Vergleichswertrichtlinie, Ertragswertrichtlinie). Die zur ImmoWertV 2021 angekündigten Anwendungshinweise (ImmoWertVA) wurden bisher nicht veröffentlicht (Stand 1.2.2023).
Rz. 102
Die gesetzlichen Grundlagen für die Immobilienbewertung befinden sich in den §§ 192–199 BauGB. In § 194 BauGB ist die Definition des Verkehrswerts (Marktwerts) enthalten. In § 199 BauGB ist die Ermächtigung geregelt, nach der die Bundesregierung durch Rechtsverordnung "Vorschriften über die Anwendung gleicher Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte und die Ermittlung der für die Wertermittlung erforderlichen Daten einschließlich der Bodenrichtwerte" erlassen darf. Von dieser Ermächtigungsgrundlage hat die Bundesregierung mit der ImmoWertV Gebrauch gemacht. Insbesondere enthält die neue ImmoWertV jetzt verbindliche Vorgaben für die Gutachterausschüsse zur Ermittlung der für die Wertermittlung erforderlichen Daten (§§ 193 Abs. 5, 196 BauGB). Durch die ImmoWertV soll eine Vereinheitlichung und Standardisierung der Grundstücksbewertung in Deutschland erreicht werden. Dies lag vor allem im Interesse der Finanzverwaltung, die die für die Grundstücksbewertung erforderlichen Daten von den Gutachterausschüssen übermittelt bekommt (§ 193 Abs. 5 BauGB).
Rz. 103
Für eigengenutzte Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen dürfte im Regelfall die Sachwertmethode zum richtigen Ergebnis führen, bei Mietshäusern die Ertragswertmethode, weil es dabei für einen Interessenten auf die Verzinsung seines Kapitaleinsatzes ankommt. Aber auch Mischwerte aus Ertragswert und Sachwert kommen in Betracht.
BGH, Urt. v. 10.11.2010: "Fremd genutzte Betriebsgrundstücke sind nach dem Ertragswertverfahren zu bewerten." Diese Entscheidung ist zu Bewertungsfragen im Pflichtteilsrecht ergangen, sie dürfte aber von allgemeiner Bedeutung sein.
c) Die geeignete Bewertungsmethode
Rz. 104
Es ist Sache des – sachverständig beratenen – Tatrichters, die zur Ermittlung des "vollen, wirklichen" Werts der Immobilie geeignete Bewertungsmethode auszuwählen und sachgerecht anzuwenden. Seine Entscheidung kann vom Revisionsgericht nur daraufhin nachgeprüft werden, ob sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder ob sie sonst auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht.
d) Verfahren der Wertfestsetzung
Rz. 105
Das Gericht setzt auf der Grundlage eines von ihm einzuholenden Wertgutachtens nach § 74a Abs. 5 ZVG den Wert des Grundstücks durch mit Gründen versehenen Beschluss fest. Das eingeholte Wertgutachten ist Beweismittel und deshalb gem. § 286 ZPO frei zu würdigen. Zur Gewährung rechtlichen Gehörs ist den Verfahrensbeteiligten eine Mehrfertigung des Gutachtens zu übersenden.
Dem beauftragten Sachverständigen muss der Zutritt zum zu bewertenden Objekt gestattet werden.
Rz. 106
Der Beschluss ist gem. § 74a Abs. 5 S. 3 ZVG mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar und muss deshalb den Beteiligten förmlich zugestellt werden, § 329 Abs. 3 ZPO (Zustellungsrecht: §§ 166–190 ZPO). Der Lauf der Beschwerdefrist beginnt für jeden Beschwerdeberechtigten mit der Zustellung des Beschlusses an ihn. Eine weitere Beschwerde ist nicht statthaft, § 74a Abs. 5 S. 3 Hs. 2 ZVG. Der sofortigen Beschwerde kann abgeholfen werden, § 572 ZPO ("Selbstkorrektur").
e) Änderung der Wertfestsetzung
Rz. 1...