Rz. 65
Fall
Der 80-jährige Antragsteller wohnt Zeit seines Lebens in seinem ehemals elterlichen Haus, dessen Miteigentümer er ist. Er ist behindert und hat die von ihm bewohnten Räume behindertengerecht ausbauen lassen. Mit dem in der Versteigerung zu erwartenden Erlösanteil kann er nichts Gleichwertiges erwerben. Nach ärztlicher Prognose hätte ein Umzug schwere körperliche und psychische Schäden zur Folge.
Rz. 66
Ein Einstellungsantrag, dem dieser Sachverhalt zugrunde liegt, müsste nach § 180 Abs. 2 ZVG zurückgewiesen werden, weil die Umstände nicht behebbar, sondern von anhaltender Dauer sind. Nur die Anwendung von § 765a ZPO würde die Möglichkeit eröffnen, die Gründe zu prüfen.
Rz. 67
Der Vollstreckungsschutz ist zu gewähren, wenn wegen ganz besonderer Umstände eine mit den guten Sitten nicht zu vereinbarende Härte eintreten würde. Allerdings ist auch bei einer nach § 765a ZPO vorzunehmenden Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass nahezu jede Versteigerung für den Antragsgegner Härten mit sich bringen kann, wie Verlust der Wohnung, des Eigentums und des bisherigen sozialen Umfelds. Diese Härten sind sachbedingt und können nicht zu einer Einstellung führen. Darüber hinaus müssen besondere Härten eintreten, wie bspw. ernsthafte Gesundheits- oder auch Lebensgefahr, aber auch eine fortgeschrittene Schwangerschaft.
Die h.M. lehnt die Anwendbarkeit von § 765a ZPO ab unter Hinweis darauf, dass es sich bei der Teilungsversteigerung nicht um einen Akt der Zwangsvollstreckung handle, und außerdem stelle § 180 Abs. 2 ZVG eine ausreichende Schutzvorschrift dar.
Eine Mindermeinung wendet § 765a ZPO an, weil der Schutz von § 180 Abs. 2 ZVG nicht ausreiche und über die Verweisung in § 180 Abs. 1 ZVG und § 869 ZPO auch § 765a ZPO angewandt werden könne, gleichgültig, ob man die Teilungsversteigerung als Vollstreckung definiere oder nicht.
Rz. 68
Der Schutz vor Grundstücksverschleuderungen kann letztlich wirksam nur über § 765a ZPO gewährt werden. Wenn mit der Teilungsversteigerung versucht wird – evtl. mit Hilfe von Strohmännern – ein Grundstück möglichst billig zu erwerben, so bietet zwar § 85a ZVG einen gewissen Schutz. Dieser versagt jedoch, wenn ein zweiter Termin stattfinden muss, § 85a Abs. 2 S. 2 ZVG.
Rz. 69
Der BGH hat die Anwendbarkeit von § 765a ZPO mit Beschl. v. 22.3.2007 bejaht und zur Begründung ausgeführt:
Zitat
"§ 765a ZPO gehört zwar nicht zu den Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (Zwangsversteigerungsgesetz), auf welche § 180 Abs. 1 ZVG verweist. Dabei allein kann die Auslegung der Vorschrift jedoch nicht stehen bleiben. § 180 Abs. 1 ZVG enthält nicht nur diese Verweisung. Seine wesentliche Aussage besteht vielmehr darin, dass er das Zwangsversteigerungsverfahren als Verfahren zur Aufhebung einer Gemeinschaft bestimmt. Regelungen, die das Zwangsversteigerungsverfahren wesentlich bestimmen, sind deshalb auch dann anzuwenden, wenn sie in anderen Vorschriften als denen der genannten Abschnitte des Zwangsversteigerungsgesetzes enthalten sind. Zu diesen Regelungen gehört jedenfalls heute, im Lichte des Art. 14 GG, der Schuldnerschutz. Auf diesen Schutz muss der Antragsgegner eines Teilungsversteigerungsverfahrens ebenfalls zurückgreifen können. Denn auch er kann in die Lage geraten, einer Verschleuderung seines Vermögens entgegenzuwirken (BVerfGE 42, 64) oder andere wesentliche Interessen sichern zu müssen. Eine wesentliche Vorschrift des Schuldnerschutzes in der Zwangsversteigerung ist § 765a ZPO, der deshalb auch in der Teilungsversteigerung anzuwenden ist."
Rz. 70
Aber: § 765a ZPO stellt eine Ausnahmevorschrift dar, die trotz ihres scheinbaren Ermessensspielraums eng auszulegen ist.