Rz. 5
Die vom Strafrichter verhängte Entziehung der Fahrerlaubnis und die Festlegung einer Sperrfrist (§ 69a StGB) für deren Neuerteilung ist rechtssystematisch eine "Maßnahme der Sicherung und Besserung". Bei den Betroffenen wird sie jedoch in aller Regel als zusätzliche Strafe oder "Denkzettel" aufgefasst. Dass hier eine persönliche Krise oder Problematik unterstellt wird, die eine Gefahr für die Verkehrssicherheit darstellt, solange sie nicht identifiziert und behoben wird, ist den Verurteilten offenbar häufig nicht klar. Sie gehen davon aus, dass sie jetzt nur für die vom Richter bestimmte Zeit ohne Fahrerlaubnis auskommen müssen und dass dann die Fahrerlaubnis quasi "automatisch" und ohne jede weitere Hürde neu erteilt werden kann. Dabei ist den meisten Betroffenen nicht bewusst – oder sie verdrängen es vielleicht –, dass vor der Neuerteilung der Fahrerlaubnis zum Beispiel im Rahmen einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung überprüft wird, ob die Eignung wieder gegeben ist, also die oben bereits erwähnte Besserung im Verlauf der Sperrfrist tatsächlich eingetreten ist.
Rz. 6
Jedenfalls wäre es sicherlich zielführend, wenn die Betroffenen spätestens im zeitlichen Zusammenhang mit der Gerichtsverhandlung, also zu Beginn der Sperrfrist, anfangen würden, sich mit ihrer möglichen Problematik auseinanderzusetzen.
Rz. 7
Dieser Prozess der "Besserung" sollte allerdings möglichst mit einer verkehrspsychologisch fundierten "diagnostischen Beratung" beginnen. Ziel einer solchen verkehrspsychologischen MPU-Beratung ist also, den optimalen (d.h. effektiven und effizienten) Weg zur Überwindung von ggf. vorhandenen Eignungsproblemen aufzuzeigen. Dazu gehört u.a. die Feststellung, ob Rückfälle nur durch Alkoholabstinenz oder auch durch kontrolliertes Trinken vermieden werden können. Sodann stellt sich die Frage, ob und welche Stellen (z.B. öffentliche Beratungsstellen) oder Fachexperten (z.B. Ärzte oder Psychotherapeuten) im vorliegenden Fall helfen können. Schließlich sollte geklärt werden, wann und unter welchen Umständen eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung Erfolg versprechend sein könnte.
Rz. 8
Das Ziel sollte sein, die notwendigen Schritte möglichst frühzeitig und systematisch zu durchlaufen, damit nach Möglichkeit zum Ende der Sperrfrist alle notwendigen Voraussetzungen für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis gegeben sind.
Rz. 9
Zu beachten ist dabei, dass die Güte der Beratung nicht nur von der verkehrspsychologischen Qualifikation des Beraters, sondern auch stark davon abhängt, dass der Klient offen und ehrlich seine Verkehrsvorgeschichte in allen Einzelheiten darlegt, da dem Berater (anders als dem Gutachter bei der MPU) in der Regel keine Führerscheinakte zur Verfügung steht. Der Berater kann aber nur dann konkrete und zutreffende Empfehlungen für weitere Vorbereitungsschritte aussprechen, wenn er alle notwendigen Informationen vorliegen hat.
Rz. 10
Unabhängig davon kann zu Beginn einer Beratung auch geprüft werden, ob durch die Teilnahme an entsprechenden Kursmodellen eine Abkürzung der Sperrfrist durch das Gericht gemäß § 69a Abs. 7 StGB erfolgen kann.
Rz. 11
Praxistipp
In der anwaltlichen Praxis sollte der Mandant darauf hingewiesen werden, dass es für den Betroffenen sehr hilfreich sein kann, sich rechtzeitig, möglichst am Ende der Gerichtsverhandlung, spätestens aber vor Beantragung einer neuen Fahrerlaubnis in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung zu informieren oder bei anderen sachverständigen Stellen, wie z.B. bei Trägern von Kursen nach § 70 FeV, beraten zu lassen. Dabei kann z.B. im Rahmen eines sogenannten MPU-Checks die Frage geklärt werden, ob die Voraussetzungen für eine positive Begutachtung gegeben erscheinen. Die Investition in eine verkehrspsychologische MPU-Beratung ist also sinnvoll, vor allem da sie dem Klienten viel Zeit und Geld ersparen kann, indem sie von vorzeitigen, wenig Erfolg versprechenden Begutachtungen abrät. Dadurch werden negative Begutachtungsergebnisse und sich daraus ergebende zeitliche Verzögerungen bereits im Vorfeld des Neuerteilungsverfahrens vermieden.
Rz. 12
Diese Beratungen werden selbstverständlich absolut vertraulich durchgeführt. Weder die Behörden noch der nachfolgende Gutachter werden über die Beratung oder deren Ergebnis informiert. Die Weitergabe von Informationen setzt die ausdrückliche Entbindung von der Schweigepflicht voraus.
Rz. 13
Wie bereits ausgeführt, soll der Gutachter nach Möglichkeit dem Begutachteten kontinuierlich die Bewertung seiner Angaben zurückmelden und vor allem am Ende der Untersuchung eine sogenannte Sachstandsmitteilung – soweit möglich – vornehmen und erläutern (vgl. § 19 Rdn 76). Dennoch kommt es nicht selten vor, dass der Untersuchte nach der Begutachtung das Ergebnis nicht versteht. Auch für diesen Fall stehen die Gutachter innerhalb einer gewissen Zeit zur Klärung noch offener Fragen, insbesondere bezüglich der Empfehlungen, zur Verfügung – und zwar oft auch ohne zusätzliche Bezahlung. Gegenstand derartiger MPU-Nachges...