Rz. 98
Die "klassischen" Versicherungsfälle, die die grundsätzliche Leistungspflicht des Versicherers begründen, sind grundsätzlich die vom Gericht festgestellten Insolvenzfälle. Das Insolvenzgericht beschließt entweder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, gegebenenfalls mit Eigenverwaltung, oder die Ablehnung mangels Masse oder die Annahme eines Schuldenbereinigungsplanes (§ 9 Nr. 1 a, b AVB). Der Versicherungsfall gilt mit dem Tag des Gerichtsbeschlusses als eingetreten (§ 9 Nr. 2 AVB).
Rz. 99
Der Versicherungsfall tritt auch mit dem Tag ein, an dem sämtliche Gläubiger einem außergerichtlichen Liquidations- oder Quotenvergleich zustimmen (§ 9 Nr. 1, 2 AVB). Ebenso gilt der Tag als Eintritt des Versicherungsfalles, an dem die Fruchtlosigkeit der vom Versicherungsnehmer vorgenommenen Zwangsvollstreckung nicht zur vollen Befriedigung geführt hat (§ 9 Nr. 1 d, 2 AVB).
Rz. 100
Da der Rechtsschutz im Ausland oftmals anderen Normen unterliegt, sind die Anforderungen bei der Realisierung notleidender Forderungen gegen ausländische Schuldner nicht so bestimmt geregelt wie im Inland. Gemäß § 9 Nr. 1 e AVB AKV tritt der Versicherungsfall an dem Tag ein, an dem aufgrund entsprechenden Nachweises angenommen werden muss, dass infolge nachgewiesener ungünstiger Umstände eine Bezahlung aussichtslos erscheint, weil eine Zwangsvollstreckung, ein Insolvenzantrag oder eine andere gegen den Kunden gerichtete Maßnahme des Versicherungsnehmers keinen Erfolg verspricht.
Rz. 101
Die in § 9 AVB aufgeführten Versicherungsfälle sind enumerativ aufgezählt. Die eindeutige Formulierung verbietet eine erweiternde Auslegung.
Rz. 102
Ein Versicherungsfall liegt ebenfalls vor, wenn die Zwangsvollstreckung aus einem Titel durch den Versicherungsnehmer nicht zur vollen Befriedigung des geschuldeten Betrages ausreicht.
Seit Einführung diverser Vorschriften in der ZPO zur Modernisierung der Sachaufklärung im Zwangsvollstreckungsverfahren zum 1.1.2013 ist es möglich, dass Gerichtsvollzieher auch von dritter Seite Informationen über die Vermögensverhältnisse von Schuldnern erhalten können, damit sie titulierte Forderungen erfolgreich beitreiben können.
Gleichzeitig wurde das Verfahren zur Abgabe der Vermögenserklärung (vormals "eidesstattliche Versicherung") modernisiert. Die Aufstellung der Vermögensgegenstände des Schuldners (Vermögensverzeichnis) wird in jedem Bundesland von einem zentralen Vollstreckungsgericht landesweit elektronisch verwaltet. Zugriff auf diese Datenbank haben Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsbehörden und weitere staatliche Stellen wie die Strafverfolgungsbehörden.
Vom Vermögensverzeichnis zu unterscheiden ist das neue Schuldnerverzeichnis, eine öffentliche Schuldner-Warndatei bei den zentralen Vollstreckungsgerichten, welche Auskunft über die Kreditwürdigkeit des Schuldners geben soll und deshalb grundsätzlich von Jedermann mit berechtigtem Interesse kostenpflichtig einsehbar ist.
Ergibt sich aus den vorgenannten Unterlagen bereits die amtlich festgestellte Vermögenslosigkeit des Schuldners, kann ein Zwangsvollstreckungsversuch zur Herbeiführung des Versicherungsfalls unter Umständen entfallen.
Rz. 103
Hat eine erfolglose Durchsuchung der Geschäftsräume stattgefunden, gilt die Zwangsvollstreckung als durchgeführt mit der Konsequenz, dass der Versicherungsfall eingetreten ist. Der Nachweis der Einkommens- und Vermögenslosigkeit des Schuldners ist nicht erforderlich.
Rz. 104
Der häufig vorkommende Fall, dass der Gerichtsvollzieher den Schuldner unter der angegebenen Adresse nicht vorfindet, bzw. dass der insolvente Kunde unbekannt verzogen ist, sowie die Amtslöschung gem. § 141a FGG, wird mittlerweile unter bestimmten Voraussetzungen von den Versicherern als Versicherungsfall anerkannt.