Rz. 8
Der Versicherungsvertrag (Police, Mantelvertrag) zwischen dem Versicherungsnehmer (Lieferant/Dienstleister) und dem Kreditversicherer bildet den Rahmen der Kreditversicherung. Darin sind die grundsätzlichen Bestimmungen über Umfang des Versicherungsschutzes, gegenseitige Vertragspflichten (Obliegenheiten), Eintritt des Versicherungsfalls usw. geregelt. Der Versicherer ist jedoch berechtigt, im Rahmen der Kreditlimitentscheidung (siehe Rdn 12) abweichende Bedingungen zur Voraussetzung für die Übernahme des Deckungsschutzes zu machen.
Rz. 9
Während beim Geldkredit das Kreditinstitut der Kreditgeber und der Kunde der Kreditnehmer ist, ist beim Warenkredit der Lieferant/Dienstleister der Kreditgeber. Auf der Kreditorenseite steht neben dem Abnehmer der Kreditversicherer als Sicherungsgeber. Der Kunde ist hier der Kreditnehmer. Demzufolge kann man beim Geldkredit von einer "Zweier"-, beim Warenkredit von einer "Dreier"-Beziehung sprechen.
Rz. 10
Die nachstehende Grafik soll die Konstellation zwischen den Beteiligten verdeutlichen.
Rz. 11
Zwischen Kreditgeber (Lieferant/Dienstleister) und Kunde (Besteller/Abnehmer) wird eine vertragliche Leistung (Kaufpreisforderung/Werklohn) begründet. In dem (Mantel-)Versicherungsvertrag vereinbaren der Kreditversicherer und der Versicherungsnehmer, welche Deckungsvoraussetzungen für dessen Forderung gegen den/die Kunden bestehen. Diese Kunden (Besteller/Abnehmer) sind die sogen. versicherungstechnischen Risiken (vgl. R1, R2, R3 in der Grafik, siehe oben Rdn 10).
Rz. 12
Nach Abschluss des Mantelvertrages stellt der Versicherungsnehmer bei seinem Kreditversicherer Limitanträge auf Übernahme des Deckungsschutzes für Forderungen gegen seine Kunden (Risiken). Sodann prüft der Kreditversicherer die Kreditfähigkeit bzw. -würdigkeit (Bonität) des Risikos und entscheidet, ob bzw. in welcher Höhe er diesen Limitantrag annimmt und Versicherungsschutz gewährt.
Rz. 13
Hervorzuheben ist, dass zwischen dem Kreditversicherer und dem Abnehmer des Versicherungsnehmers (Risiko) kein Vertragsverhältnis besteht.
Rz. 14
Dabei bemühen sich Experten des Versicherers, mit den Risiken ins Gespräch zu kommen – insbesondere aktuelle Bilanzen zu erhalten –, um eine genaue und aktuelle Bonitätsbeurteilung für die eigene Kreditentscheidung vornehmen zu können. Die Herausgabe der Unterlagen durch die Risiken erfolgt auf freiwilliger Basis, jedoch wird Vertraulichkeit seitens des Versicherers zugesichert.
Rz. 15
Die Kreditprüfung bis hin zur Kreditentscheidung ist – neben der Vertrags-(Policen-)gestaltung – die "Kernkompetenz" des Kreditversicherers. Dabei spielen die individuelle Bonität, die gesamte wirtschaftliche Situation der Branche (Marktanalyse), bei Auslandsforderungen das jeweilige Länderrisiko, Bilanzen, Liquiditätsplanung, Auftragsbestand, geschäftliche Perspektiven, Wirtschaftsauskünfte anerkannter Auskunfteien, Bankauskünfte und Zahlungserfahrungsberichte anderer Versicherungsnehmer eine wesentliche Rolle (vgl. auch Rdn 70). Die getroffene Entscheidung erhält der Versicherungsnehmer grundsätzlich in einer schriftlichen Kreditmitteilung (vgl. K1, K2, K3 in der Grafik, siehe oben Rdn 10). Die dokumentierte Kreditentscheidung kann ergänzende Zusätze bzw. Bedingungen (z.B. Befristung, Besonderheiten beim Eigentumsvorbehalt, Erfordernis einer Bürgschaft) oder Spezialbestimmungen in Abänderung des (Mantel-)Kreditversicherungsvertrages beinhalten, die Voraussetzung für die Gewährung des Kreditversicherungsschutzes bezüglich der konkreten Kreditlimitanfrage werden. Vor diesem Hintergrund ist besondere Sorgfalt bei der Einhaltung der in der Kreditlimitentscheidung enthaltenen Bedingungen geboten, um den Versicherungsschutz zu erhalten.
Rz. 16
Soweit der Kreditversicherer keinen Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse erhält, ist die Bonitätsbeurteilung unvollständig und der Versicherungsschutz wird dann nicht oder nur begrenzt gewährt. Der Lieferant (Versicherungsnehmer) wird möglicherweise seine Lieferungen reduzieren oder einstellen mit der Folge, dass sein Kunde wegen fehlender Zulieferung in Schwierigkeiten kommen kann.
Rz. 17
Grundsätzlich prüft der Kreditversicherer die Bonität des Kunden, gewährt den beantragten Deckungsschutz in voller oder reduzierter Höhe oder lehnt den Antrag ab. Bei dieser Entscheidung ist der Kreditversicherer frei (vgl. § 8 Nr. 6 AVB). Ein Anspruch auf die Gewährung von Deckungsschutz besteht nicht. Inwieweit sich die Entscheidung des Kreditversicherers auch auf die Vertragsbeziehung zwischen dem Versicherungsnehmer und dessen Kunden auswirkt, liegt außerhalb des Einflussbereiches des Kreditversicherers. Es bleibt der alleinigen unternehmerischen Entscheidung des Versicherungsnehmers vorbehalten, ob er bei Herabsetzung des Kreditlimits oder bei vollständiger Versagung des Versicherungsschutzes den betroffenen Kunden weiterhin beliefert oder ob er hierzu nur unter bestimmten Voraussetzungen – etwa bei einer Lieferung gegen Vorkasse – bereit ist. Bei kleineren Außens...