1. Voraussetzungen für den Versicherungsschutz, § 2 Nr. 1–3 AVB
Rz. 18
Sofern versicherte Forderungen aus Warenlieferungen oder Dienstleistungen ausfallen und ein Versicherungsfall während der Laufzeit des Versicherungsvertrages vorliegt, hat der Versicherungsnehmer einen Entschädigungsanspruch gegen den Versicherer (§ 1 AVB), soweit er den Pflichten und Obliegenheiten aus der Police nachgekommen ist. Im Rahmen der Absicherung von Dienstleistungen können z.B. Speditionsforderungen, Forderungen aus Montageverträgen, aus Softwarebestellung oder aus Textilveredlung unter Versicherungsschutz genommen werden. Nicht versicherbar sind hingegen reine Finanzforderungen, denen keine Warenlieferung, Dienst- oder Werkleistung zugrunde liegt.
Rz. 19
Grundsätzlich sind nur die Forderungen versichert, die im regelmäßigen Geschäftsbetrieb und im Namen und für Rechnung des Versicherungsnehmers entstanden sind. Durch diese Regelung soll sichergestellt werden, dass grundsätzlich nur die durch eigene Leistung des Versicherungsnehmers begründeten Forderungen in den Versicherungsschutz aufgenommen werden. Insbesondere soll verhindert werden, dass Forderungen im Wege der Abtretung erworben werden, es sei denn, der Versicherer hat die Indeckungnahme in Kenntnis des Sachverhalts akzeptiert.
Rz. 20
Dies gilt insbesondere für Factoringunternehmen, deren Geschäftszweck es gerade ist, Forderungen im Wege der Abtretung anzukaufen und bei denen dann der Wechsel des Forderungsinhabers unmittelbar eintritt. Es ist notwendig, dies einzelvertraglich zu regeln.
Rz. 21
Mitversichert sind unter anderem Frachten, Versicherungsprämien, Wechseldiskont und Wechselspesen, die im Zusammenhang mit der Lieferung oder Leistung entstanden sind. Nicht eingeschlossen sind dagegen beispielsweise Verzugszinsen, Vertragsstrafen, Schadensersatz, sowie Kursverluste (§ 2 Nr. 5 a AVB).
Rz. 22
Weiterhin müssen die Forderungen rechtlich begründet sein, d.h. sie dürfen nicht streitig sein. Bestehen z.B. berechtigte Mängelrügen und sind die Forderungen nicht durchsetzbar, besteht grundsätzlich kein Versicherungsschutz. Da sie nicht versichert sind, besteht auch keine Melde- bzw. Prämienpflicht (vgl. Rdn 74 ff.).
Rz. 23
Wird die Begründetheit der Forderungen – oftmals nur, um die Fälligkeit zu verschieben – angezweifelt, bleibt letztendlich nur eine gerichtliche Klärung oder im Insolvenzfall die Anerkennung des Insolvenzverwalters. Nachzuweisen ist dies durch einen Auszug aus der Insolvenztabelle bzw. durch die Klage zur Feststellung zur Insolvenztabelle.
Rz. 24
Die rechtliche Begründetheit liegt insbesondere dann vor, wenn die Abnahme der Leistung erfolgt ist. Dabei ist nicht nur die körperliche Entgegennahme der Ware, sondern auch ein (konkludentes, stillschweigendes) Anerkenntnis gemeint. Die Abnahme kann durch ein gerichtliches Urteil gem. § 894 ZPO ersetzt werden. Im Übrigen ist eine abgenommene Leistung im Regelfall auch rechtlich begründet, es sei denn, es liegen versteckte Mängel vor.
Rz. 25
Oftmals sind dem Versicherungsnehmer vor der Lieferung bzw. der Abnahme durch den Kunden Planungs- und Materialkosten entstanden. Aufgrund der Klausel Fabrikationsrisiko können diese Kosten abgesichert werden, auch wenn der Versicherer den Deckungsschutz vor der Auslieferung aufgehoben hat. Diese Klausel findet insbesondere Anwendung bei noch nicht gelieferten Spezialanfertigungen. Ein allgemeines Produktionsrisiko ist jedoch nicht gedeckt.
Rz. 26
Grundsätzlich muss die Forderung fakturiert sein. Da oftmals ein Zeitabstand zwischen Leistung, Auslieferung und Faktura liegen kann, gibt es im Regelfall eine einzelvertragliche Vereinbarung in der Police dergestalt, dass eine bestimmte maximale Frist zwischen Leistung und Faktura festgesetzt wird.
Rz. 27
Es sind die jeweils ältesten Forderungen ab Beginn des Versicherungsschutzes gedeckt. Sofern nach Bezahlung der jeweils ältesten Forderung innerhalb der Versicherungssumme Raum entsteht, rücken Forderungen, die bisher die Versicherungssumme überstiegen, in den Versicherungsschutz nach.
Rz. 28
Ein Nachrücken unversicherter Forderungen nach Ausschluss des Versicherungsschutzes (Limitstreichung) ist grundsätzlich nicht möglich, wird aber teilweise individuell im Versicherungsvertrag vereinbart.
Rz. 29
Im Rahmen von Auslandsforderungen kann zusätzlich auch das politische Risiko mitversichert werden (vgl. auch Rdn 134, 135). Die gesonderten Voraussetzungen für den Versicherungsschutz stellt der Versicherer in aktuellen Länderlisten zusammen. Sind in einigen Ländern politische Risiken wie zum Beispiel "Behinderungen … von hoher Hand" (§ 2 Nr. 5 c AVB) zu befürchten, besteht Versicherungsschutz nur, wenn das politische Risiko mitversichert wurde. Hierfür wird ein Prämienaufschlag vereinbart.
Rz. 30
Lange Zeit wurde, unabhängig von den Vereinbarungen zwischen Versicherungsnehmer und seinen Kunden, im Verhältnis des Versicherungsnehmers zum Versicherer grundsätzlich jede Zahlung des Kunden auf die älteste, versicherte Forderung angerechnet.
Mit Urt. v. 22.1.2014 hat der BGH jedoch...