1. Geltung des VVG und das Verschuldensprinzip
Rz. 67
Gemäß § 16 Nr. 2 AVB findet ergänzend zu den vertraglichen Vereinbarungen das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) Anwendung. Die §§ 19–58 VVG sind die Grundnormen für die vertraglichen Obliegenheiten, die sich praktisch in Verpflichtungen vor und nach Eintritt des Versicherungsfalles aufteilen lassen.
Rz. 68
Die Kreditversicherer hatten in ihren alten Versicherungsbedingungen bis Anfang 1993 festgeschrieben, dass sie bei Obliegenheitsverletzungen ohne weiteres von ihrem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch machen können.
Rz. 69
Der BGH hat in seinem Urt. v. 2.12.1992 festgestellt, dass eine schuldlose Obliegenheitsverletzung gegen § 9 AGBG, heute § 307 BGB und § 6 VVG a.F. verstößt und damit rechtswidrig ist. Aufgrund § 14 Nr. 2 AVB n.F. bedarf es für eine Leistungsverweigerung bei Obliegenheiten, die vor Eintritt des Versicherungsfalles zu beachten sind, zumindest leichter Fahrlässigkeit. Dies wird nunmehr auch durch § 58 Abs. 1 VVG bestätigt. Bei Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles besteht selbst bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit Leistungspflicht, es sei denn, die Obliegenheitsverletzung hat den Eintritt des Versicherungsfalles oder den Umfang der vom Versicherer anlässlich des Versicherungsfalles obliegenden Leistung beeinflusst (§ 14 Nr. 2, 3 AVB). Die Beweislast für die objektive Obliegenheitsverletzung trägt der Versicherer, das Fehlen des Verschuldens oder die Kausalität muss der Versicherungsnehmer beweisen.
2. Anbietungspflicht, § 3 AVB
Rz. 70
Der Versicherungsnehmer muss dem Versicherer alle Forderungen gegen seine gegenwärtigen und künftigen Kunden zur Übernahme des Versicherungsschutzes anbieten und bei der benannten Versicherung ausreichenden Versicherungsschutz beantragen. Demnach ist es dem Versicherungsnehmer nicht gestattet, nur zweifelhafte Forderungen anzubieten. Andernfalls würde der Versicherer allein das erhöhte Risiko tragen, das von der grundsätzlichen Prämienkalkulation nicht erfasst ist. Demnach muss der Versicherungsnehmer sowohl die "schlechten" als auch die "guten" Forderungen (Salden oder Umsätze) dem Versicherer zur Prämienberechnung melden. Die Anbietungspflicht tritt mit Entstehen der Forderung ein.
Der Kreditversicherer prüft – zumeist in seiner rechtlich separierten Kreditprüfungsgesellschaft – anhand der vorhandenen Bonitätsinformationen die Bonität des Risikos (Kunden) und setzt daraufhin eine Versicherungssumme fest oder lehnt diese ab oder entscheidet sich, dem Limitantrag nur teilweise zu entsprechen. Bei Teilentscheidungen ist der Außenstand des Versicherungsnehmers nur bis zur Höhe der Teilentscheidung vom Versicherungsschutz erfasst. Darüber hinausgehende Forderungen können nur dann in den Versicherungsschutz nachrücken, wenn durch die Bezahlung älterer Forderungen innerhalb der Versicherungssumme dafür Raum ist, es sei denn, es ist anderweitig in der Versicherungspolice vereinbart (vgl. auch Rdn 15).
Rz. 71
Bei einem Kreditversicherungsvertrag nur für Inlandskunden müssen die Kunden ihren Sitz in Deutschland haben. Die Mitversicherung der Auslandskunden ist üblich.
Rz. 72
Beinhaltet die Police eine vereinbarte Anbietungsgrenze, muss die bestehende oder zu erwartende Gesamtforderung des Versicherungsnehmers gegen den jeweiligen Kunden diese Grenze übersteigen. Forderungen unterhalb der Anbietungsgrenze können zum Beispiel pauschal versichert werden, soweit die Versicherungspolice dies vorsieht (vgl. oben Rdn 48). Es gibt aber im Einzelfall weitere Möglichkeiten bei den Versicherern, Forderungen unterhalb der Anbietungsgrenze zu versichern.
Rz. 73
Erhöht sich die Gesamtforderung und übersteigt sie die eingeräumte Versicherungssumme, hat der Versicherungsnehmer unverzüglich einen Erhöhungsantrag zu stellen. Ein unterlassener Erhöhungsantrag ist, je nach Regelung in der Versicherungspolice, eine Obliegenheitsverletzung mit den Rechtsfolgen des § 14 Nr. 2 AVB (vgl. auch unten Rdn 94 und § 54 Abs. 1 VVG). Bei Ablehnung muss der Versicherungsnehmer innerhalb von zwölf Monaten ab Zugang der entsprechenden Kreditmitteilung einen neuen Antrag in benötigter Höhe stellen. Unterschreitet die Gesamtforderung die bestehende Versicherungssumme, bleibt sie versichert.
3. Saldenmeldung und Prämienzahlung, § 6 AVB
Rz. 74
Die Kreditversicherung ist eine betriebliche Schadensversicherung. Im Versicherungsvertrag ist die für die Prämienberechnung vereinbarte Berechnungsmethode vereinbart. Entweder meldet der Versicherungsnehmer seine offenen Salden am jeweiligen Monatsende (Saldovertrag) oder er gibt dem Versicherer die jeweils zeitkongruenten Umsätze mit den versicherten Kunden auf (Umsatzvertrag).
Rz. 75
Die Höhe des Prämiensatzes richtet ...