Rz. 1

Das Auftragsverhältnis begründet für den Bevollmächtigten eine Vielzahl von Pflichten, die er gegenüber dem Auftraggeber zu erfüllen hat. Neben diesen Pflichten hat der Bevollmächtigte aber auch Ansprüche gegenüber dem Auftraggeber, die zum einen unmittelbar aus dem Gesetz erwachsen, zum anderen vertraglich vereinbart werden können.

Grundvoraussetzung dafür, dass dem Bevollmächtigten Ansprüche gegen den Vollmachtgeber zustehen, ist das Bestehen eines Geschäftsbesorgungsvertrags (§ 675 BGB) oder eines Auftragsverhältnisses (§§ 662 ff. BGB), das der Vollmachtserteilung als Grundverhältnis zugrunde liegt. Im Falle einer entgeltlichen Geschäftsbesorgung ist die Qualifizierung des Grundverhältnisses i.d.R. unproblematisch. Ist der Bevollmächtigte aber – was bei Vorsorgevollmachten regelmäßig der Fall sein dürfte – unentgeltlich tätig geworden, ist zu prüfen, ob ein Auftragsverhältnis oder lediglich ein Gefälligkeitsverhältnis vorliegt.[1] Die Qualifizierung des Grundverhältnisses als Auftragsverhältnis oder als Gefälligkeitsverhältnis ohne Rechtsbindungswillen, erfolgt im Wege der Auslegung im konkreten Einzelfall nach Treu und Glauben unter Rücksicht auf die Umstände und die Verkehrssitte.[2] Aus der bloßen Bevollmächtigung ergibt sich nicht ein Auftragsverhältnis.[3]

 

Rz. 2

Eine vertragliche Bindung wird insbesondere dann zu bejahen sein, wenn erkennbar ist, dass für den Leistungsempfänger wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel stehen und er sich auf die Zusage des Leistenden verlässt oder wenn der Leistende (hier also der Bevollmächtigte) an der Angelegenheit ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse hat.[4]

 

Rz. 3

Bei der Erteilung einer umfassenden Vorsorgevollmacht wird in der Regel nicht von einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis, sondern von einem Auftragsverhältnis auszugehen sein.[5] Auch bei bevollmächtigten Kindern ist i.d.R. von einem Auftragsverhältnis auszugehen, da ein Rechtsbindungswille nur in Ausnahmefällen und "bei größter Zurückhaltung" verneint werden kann.[6] Allein das Bestehen eines verwandtschaftlichen Verhältnisses reicht für die Verneinung des Rechtsbindungswillens nicht aus.[7]

[1] Zur Abgrenzung Auftrag/Gefälligkeit ausführlich Horn/Schabel, NJW 2012, 3473 f.
[5] OLG Schleswig, Urt. v. 18.3.2014 – 3 U 50/13, ErbR 2014, 347, Rn 21 mit Verweis auf OLG Brandenburg, Urt. v. 19.3.2013 – 3 U 1/12, BeckRS 2013, 6305, Rn 82; Grüneberg/Götz, Einf. v. § 1896 a.F. Rn 6; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.6.2020 – 12 U 7/20, ErbR 2020, 890.
[6] OLG Schleswig, Urt. v. 18.3.2014 – 3 U 50/13, juris, Rn 21 mit Verweis auf OLG Brandenburg, Urt. v. 19.3.2013 – 3 U 1/12, BeckRS 2013, 6305, Rn 82; Horn/Schabel, NJW 2012, 3473, 3474; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.6.2020 – 12 U 7/20, ErbR 2020, 890.
[7] OLG Schleswig, Urt. v. 18.3.2014 – 3 U 50/13, juris, Rn 21; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.6.2020 – 12 U 7/20, ErbR 2020, 890; vgl. hierzu die ausführlichen Ausführungen in § 11.

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