A. Abgrenzung Auftrag/Gefälligkeit
Rz. 1
Das Auftragsverhältnis begründet für den Bevollmächtigten eine Vielzahl von Pflichten, die er gegenüber dem Auftraggeber zu erfüllen hat. Neben diesen Pflichten hat der Bevollmächtigte aber auch Ansprüche gegenüber dem Auftraggeber, die zum einen unmittelbar aus dem Gesetz erwachsen, zum anderen vertraglich vereinbart werden können.
Grundvoraussetzung dafür, dass dem Bevollmächtigten Ansprüche gegen den Vollmachtgeber zustehen, ist das Bestehen eines Geschäftsbesorgungsvertrags (§ 675 BGB) oder eines Auftragsverhältnisses (§§ 662 ff. BGB), das der Vollmachtserteilung als Grundverhältnis zugrunde liegt. Im Falle einer entgeltlichen Geschäftsbesorgung ist die Qualifizierung des Grundverhältnisses i.d.R. unproblematisch. Ist der Bevollmächtigte aber – was bei Vorsorgevollmachten regelmäßig der Fall sein dürfte – unentgeltlich tätig geworden, ist zu prüfen, ob ein Auftragsverhältnis oder lediglich ein Gefälligkeitsverhältnis vorliegt. Die Qualifizierung des Grundverhältnisses als Auftragsverhältnis oder als Gefälligkeitsverhältnis ohne Rechtsbindungswillen, erfolgt im Wege der Auslegung im konkreten Einzelfall nach Treu und Glauben unter Rücksicht auf die Umstände und die Verkehrssitte. Aus der bloßen Bevollmächtigung ergibt sich nicht ein Auftragsverhältnis.
Rz. 2
Eine vertragliche Bindung wird insbesondere dann zu bejahen sein, wenn erkennbar ist, dass für den Leistungsempfänger wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel stehen und er sich auf die Zusage des Leistenden verlässt oder wenn der Leistende (hier also der Bevollmächtigte) an der Angelegenheit ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse hat.
Rz. 3
Bei der Erteilung einer umfassenden Vorsorgevollmacht wird in der Regel nicht von einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis, sondern von einem Auftragsverhältnis auszugehen sein. Auch bei bevollmächtigten Kindern ist i.d.R. von einem Auftragsverhältnis auszugehen, da ein Rechtsbindungswille nur in Ausnahmefällen und "bei größter Zurückhaltung" verneint werden kann. Allein das Bestehen eines verwandtschaftlichen Verhältnisses reicht für die Verneinung des Rechtsbindungswillens nicht aus.
B. Vorschuss nach § 669 BGB
Rz. 4
Der Bevollmächtigte kann gemäß § 669 BGB vom Vollmachtgeber eine Vorschusszahlung für seine erforderlichen Aufwendungen verlangen ("Für die zur Ausführung des Auftrags erforderlichen Aufwendungen hat der Auftraggeber dem Beauftragten auf Verlangen Vorschuss zu leisten.").
Rz. 5
Muster 21.1: Aufforderungsschreiben zur Auszahlung von Vorschuss
Muster 21.1: Aufforderungsschreiben zur Auszahlung von Vorschuss
Sehr geehrte(r) Herr/Frau _________________________
liebe(r) _________________________,
für das bevorstehende Geschäft mit der _________________________ muss ich als Bevollmächtigter erhebliche Aufwendungen vorab tätigen. Ich benötige daher einen Vorschuss nach § 669 BGB. Ich bitte daher darum, mir die nachfolgend aufgelisteten Aufwendungen auf das Konto mit der IBAN _________________________ gutzuschreiben. Solange ich den Vorschuss nicht erhalte, kann das Geschäft nicht abgewickelt werden. Erst wenn der Vorschuss eingezahlt worden ist, kann ich als Bevollmächtigter im konkreten Fall tätig werden.
Unterschrift
Bevollmächtigter
I. Normzweck
Rz. 6
Das Gesetz regelt, dass der Beauftragte nicht vorfinanzierungspflichtig ist. Auch wenn der Auftraggeber dem Beauftragten kein Entgelt schuldet, so kann vom Beauftragten nicht erwartet werden, dass dieser durch die Ausführung des Auftrags und damit verbundenen Aufwendungen einen Verlust erleidet. Daher stehen dem Beauftragten gegen den Auftraggeber mit den §§ 669, 670 BGB Ausgleichsansprüche zu, um von vornherein zu vermeiden, dass der Beauftragte einen Verlust erleidet oder nachträglich kompensieren muss. Die Regelung des § 669 BGB begründet insoweit einen vorweggenommenen Aufwendungsersatzanspruch. Der Hauptanspruch für den Ersatz entstandener Aufwendungen ist...