Dr. Claus-Henrik Horn, Dr. iur. Claus-Peter Bienert
Rz. 24
Eltern eines behinderten Kindes können Ansprüche im Zusammenhang mit ihrem Ableben reduzieren, indem sie bereits Vermögen lebzeitig ihren gesunden Kindern, sich gegenseitig oder Dritten schenken. Diese Schenkungen bzw. ehebedingten Zuwendungen können Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 BGB auslösen. Diese stehen einem Erben auch dann zu, wenn er erbt. Es findet dann eine Anrechnung mit dem Wert des Erbteils statt (§ 2326 BGB). Reicht der Nachlass nicht, haftet der Beschenkte subsidiär (§ 2329 BGB). Jedoch sieht § 2327 BGB eine Verrechnung mit den Eigengeschenken vor, die der Behinderte erhalten hat. Dadurch reduzieren sich etwaige Pflichtteilsergänzungsansprüche, ohne dass es wie bei dem ordentlichen Pflichtteil einer Anordnung entsprechend § 2315 BGB bedarf. Nach dem Erbfall steht dem Sozialhilfeträger ein Ermessen zu, ob er einen Pflichtteilsergänzungsanspruch überleitet oder nicht. Dabei hat er die sozialen Rechte des Pflichtteilsberechtigten i.S.d. §§ 3 bis 10 SGB I zu beachten. Bei der Entscheidung ist zu berücksichtigen, dass sich der Hilfeempfänger aus dem Pflichtteilsergänzungsanspruch zusätzliche Vorteile verschaffen kann, die über das Leistungsniveau der Sozialhilfe hinausgehen, soweit er nur damit sein Vermögen nicht verschwendet. Diese Ermessensentscheidung kann insoweit beeinflusst werden, indem dem Behinderten zusätzlich ein weiteres Vermächtnis zugewendet wird, und zwar bedingt für den Fall, dass ihm beim Erbteil Pflichtteilsergänzungsansprüche zustehen. Nach § 33 Abs. 1 S. 1 SGB II geht der Pflichtteilsergänzungsanspruch auf den Grundsicherungsträger kraft Gesetzes über. Einer Überleitungsanzeige und demgemäß auch einer diesbezüglichen Ermessensentscheidung bedarf es daher nicht.
Rz. 25
Ausgleichungspflichtige Zuwendungen gemäß § 2050 BGB wie Ausstattungen nach § 1624 BGB oder bei Anordnung der Ausgleichung auf den Erbteil an das gesunde Kind führen unabhängig von Fristen zu einer Erhöhung des ordentlichen Pflichtteils nach § 2303 BGB des zunächst nicht bedachten Kindes (§ 2316 BGB). Hierzu ist erforderlich, dass es zumindest ein weiteres Kind der Eltern gibt, da die Ausgleichung nur unter Abkömmlingen stattfindet. Hat das behinderte Kind selbst solche ausgleichungspflichtigen Zuwendungen erhalten, werden dessen ordentliche Pflichtteilsansprüche reduziert. Gerade Kinder mit Behinderungen werden durchaus regelmäßig zum Zwecke ihres Unterhaltes von ihren Eltern finanziell unterstützt. Soweit solche Unterstützungsleistungen im Übermaß im Vergleich zu der Einkommens- und Vermögenssituation der Eltern erfolgt sind, reduzieren diese hinsichtlich des überschießenden Teils bzgl. des Übermaßes die ordentlichen Pflichtteilsansprüche des so begünstigten Kindes (§§ 2316, 2050 Abs. 2 BGB).
Rz. 26
Zu beachten ist, dass dem behinderten Kind auf Basis lebzeitiger Schenkungen Pflichtteilsergänzungsansprüche zustehen können (§ 2325 BGB), und zwar auch dann, wenn ein Kind Vermächtnisnehmer (§ 2307 BGB) oder Miterbe ist (§ 2305 BGB). Enthält das Testament hierzu keine Vorkehrungen, so ist es möglich, dass der Sozialleistungsträger diese Ansprüche auf sich überleiten lassen kann oder diese von Gesetzes wegen übergeleitet sind. Folglich kann entsprechende Zahlungen der Sozialleistungsträger einziehen. Diese unterfallen dann nicht dem Schutz der Dauertestamentsvollstreckung.
Rz. 27
Abhilfe kann ein weiteres Vermächtnis zugunsten des Behinderten schaffen, das bedingt für den Fall angeordnet wird, dass ihm Pflichtteilsergänzungsansprüche zustehen. Da bei der Erbschaftslösung das behinderte Kind Miterbe ist, handelt es sich dann um ein Vorausvermächtnis nach § 2150 BGB; bei der Vermächtnislösung um ein weiteres Vermächtnis.
Da die in diesem Kapitel vorgestellten Muster für die Erbschaftslösung (vgl. Rdn 52) und für die Vermächtnislösung (vgl. Rdn 59) von einer Quote "60 % des gesetzlichen Erbteils" ausgehen, sind davon auch schon ausgleichungspflichtige Zuwendungen nach § 2050 BGB und Unterstützungsleistungen nach § 2057a BGB umfasst. Diese wirken sich schließlich auf den gesetzlichen Erbteil erhöhend oder reduzierend aus, was gem. § 2316 BGB Auswirkungen auf die Höhe des ordentlichen Pflichtteilsanspruchs nach § 2303 BGB hat. Daher muss für ausgleichungspflichtige Zuwendungen gem. § 2050 BGB kein weiteres Vermächtnis angeordnet werden.
Deswegen behandelt das nachfolgende Vermächtnis nur Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 BGB. Notwendig ist der Ausschluss von § 2326 S. 2 BGB, da sich andernfalls der Wert dieses Vermächtnisses reduzieren kann. Ohne Ausschluss würde dieses Vermächtnis so gekürzt werden, dass das behinderte Kind i.E. nur den Wert seiner Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche erhielte. Der Betreuer könnte dann zur Ausschlagung verpflichtet sein.
Etwa Krauß bietet indes ein Muster an, das auch ausgleichungspflichtige Zuwendungen nach § 2050 BGB umfasst. Solche Zuwendungen hat das Vermächtnis zu umfassen, wenn die Erb- bzw. Vermächtnisquote zugunst...