Dr. Claus-Henrik Horn, Dr. iur. Claus-Peter Bienert
Rz. 12
Anderes gilt aber für den Betreuer des behinderten Kindes. Dieser kann mit Genehmigung des Betreuungsgerichts grundsätzlich die Ausschlagung erklären und den Pflichtteil geltend machen (§§ 1793, 1902, 1908i, 1822 Nr. 2 BGB). Wenn die Betreuung auf vermögensrechtliche Angelegenheiten beschränkt ist, wird vertreten, dass zur Ausschlagung wegen der bei der Ausschlagung auch zu berücksichtigenden persönlichen Motive der Aufgabenkreis des Betreuers um die Angelegenheit "Entscheidung über die Ausschlagung einer Erbschaft" zu erweitern ist. Jedoch geht der BGH bei minderjährigen Erben davon aus, dass eine Ausschlagung eine rein vermögensrechtliche Angelegenheit darstellt.
Der Betreuer hat grundsätzlich zu prüfen, ob eine Ausschlagung für das Kind vorteilhaft wäre. Denn der Betreuer hat gemäß § 1901 Abs. 2 S. 1 BGB zum Wohle des Kindes zu entscheiden. I.d.R. wird dies zu verneinen sein, da das Kind dann nicht einmal mehr die "Nutzungszuwendungen" aus dem Behindertentestament erhalten würde. Bei der Entscheidung, ob der Betreuer die Ausschlagung der Erbschaft erklären sollte, sind ausschließlich die Interessen des Betreuten zu berücksichtigen. Interessen Dritter dürfen hierfür keine Rolle spielen, auch nicht die Interessen des Sozialleistungsträgers.
Rz. 13
Für die Gestaltung ist daher wichtig, dass der Betreute auch tatsächlich spürbare Vorteile erlangt und nicht nur die theoretische Möglichkeit darauf besteht. Gibt der Nachlass bspw. keine hinreichenden Erträge her, die dem Betreuten in Form von Sachvermögen zugewiesen werden können, dann sollte zumindest der Testamentsvollstrecker berechtigt sein, die Substanz zu diesem Zweck zu verwerten, damit nicht eine Ausschlagung durch den Betreuer erfolgt. Die Entscheidung, nicht auszuschlagen, wird dem Betreuer umso leichter fallen, wenn die Quote nicht nur minimal über der Pflichtteilsquote oder gar entsprechend der Pflichtteilsquote verfügt ist.
Rz. 14
Zu unterscheiden ist hiervon der Fall, dass der Pflichtteilsberechtigte, also das behinderte Kind, noch keine Sozialhilfe erhält. In diesem Fall wird der Betreuer i.d.R. zu der Entscheidung gelangen, dass der Pflichtteil für den Behinderten vorteilhaft ist. Erhält der Behinderte dagegen bereits Leistungen des Sozialhilfeträgers, dann hätte er in der Nichtausschlagung einen Vorteil, wenn das Testament nicht als Vermögen zu berücksichtigende Zuwendungen i.S.v. § 90 Abs. 2 SGB XII vorsieht. Dies ist eine rein wirtschaftliche Betrachtungsweise.
Das OLG Köln hat sich etwa gegen die vormundschaftliche Genehmigung einer Erbausschlagung bei einem Behindertentestament ausgesprochen. Es liege nicht im Interesse einer durch ein Behindertentestament als nicht befreite Vorerbin eingesetzten Betreuten, wenn der Ergänzungsbetreuer die Erbausschlagung und Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs für die Betreute betreibt, um damit die Kosten der Heimunterbringung aus eigenen Mitteln der Betreuten zu bestreiten.
Rz. 15
Will der Betreuer sichergehen, dass er richtig handelt, kann er bspw. vorsorglich die Genehmigung des Betreuungsgerichts einholen, die nach § 1822 Nr. 2 BGB notwendig ist. Wird diese versagt, ist dies ein Indiz dafür, dass die Nicht-Ausschlagung dem Wohl des Erben entspricht. Wird eine Ausschlagung seitens des Betreuungsgerichts genehmigt, so kann sich der Betreuer immer noch entscheiden, ob er sich zu einer Ausschlagung entschließt. Er ist nicht verpflichtet, von dem Genehmigungsbeschluss insoweit Gebrauch zu machen, dass er diese dem Nachlassgericht nachweist. Ein Automatismus besteht schließlich nicht; die Betreuungsabteilung leitet nicht von Amts wegen die Genehmigung an die Nachlassabteilung weiter. Erst mit Einreichung des rechtskräftigen (§ 40 Abs. 2 FamFG) Genehmigungsbeschlusses bei dem Nachlassgericht durch den Betreuer wird die schon zuvor (zur Hemmung der Ausschlagungsfrist wegen höherer Gewalt siehe § 206 BGB) abgegebene Ausschlagungserklärung wirksam. Die Entscheidung liegt insofern bei ihm.
Allerdings hat der Betreuer immer darauf zu achten, dass er sich bei einer Pflichtverletzung gegenüber dem Betreuten schadensersatzpflichtig machen kann (§§ 1908i, 1833 BGB). Die Genehmigung des Betreuungsgerichts schließt einen Schadensersatzanspruch nicht aus, da der Betreuer trotz deren Vorliegens eine eigene Entscheidung treffen muss.