Dr. Claus-Henrik Horn, Dr. iur. Claus-Peter Bienert
Rz. 4
Das Alg II, die Sozialhilfe und die weiteren Sozialleistungen aus dem SGB II und SGB XII werden bedarfsabhängig gewährt; es gilt der Nachranggrundsatz, wonach der Hilfeempfänger vorrangig sein Einkommen sowie sein gesamtes verwertbares Vermögen einzusetzen hat (§ 2 SGB XII, § 3 SGB II). Bestimmtes Einkommen und Vermögen bleibt unberücksichtigt (§§ 11a, 12 Abs. 3 SGB II; §§ 83, 84, 90 Abs. 2 und 3 SGB XII). Daneben sind Absetz- und Freibeträge zu berücksichtigen (§§ 11b, 12 Abs. 2 SGB II; § 82 SGB XII). Im Verhältnis zu den Freibetragsregelungen des SGB II ist der in § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII geregelte nicht zu berücksichtigende "kleinere Barbetrag" regelmäßig geringer. In diesem Zusammenhang sind aber auch die §§ 60a, 66a SGB XII zu erwähnen, nach denen bei Eingliederungshilfe für behinderte Menschen ein zusätzlicher Betrag von bis zu 25.000 EUR für die Lebensführung und die Alterssicherung i.S.v. § 90 Abs. 3 S. 2 SGB XII als angemessen gilt und bei der Hilfe zur Pflege ein zusätzlicher Betrag von bis zu 25.000 EUR für die Lebensführung und die Alterssicherung i.S.v. § 90 Abs. 3 S. 2 SGB XII als angemessen gilt, sofern dieser Betrag ganz oder überwiegend als Einkommen aus selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit der Leistungsberechtigten während des Leistungsbezugs erworben wird. Zum 1.1.2020 wird die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen aus dem SGB XII in das SGB IX überführt. Dann sind existenzsichernde Leistungen und die zukünftig im SGB IX geregelten Leistungen der Eingliederungshilfe deutlich voneinander zu trennen. Werden existenzsichernde Leistungen, namentlich solche der Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung, nicht bezogen, gelten allein die recht günstigen Regelungen der §§ 135 ff. SGB IX. Etwa gilt § 139 S. 2 SGB IX, nach dem die Leistungen nach diesem Teil nicht abhängig gemacht werden dürfen vom Einsatz oder von der Verwertung des Vermögens i.S.d. § 90 Abs. 2 Nr. 1 bis 8 SGB XII und eines Barvermögens oder sonstiger Geldwerte bis zu einem Betrag von 150 % der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV. Bei einer Bezugsgröße (West) von 37.380 EUR ergibt sich ein Freibetrag von 56.070 EUR! Bestimmte Leistungen der Eingliederungshilfe werden vermögensunabhängig erbracht, vgl. § 140 Abs. 3 SGB IX i.d.F. ab 1.1.2020.
Rz. 5
Was ein Hilfeempfänger von Todes wegen erwirbt, kann sozialrechtlich Einkommen oder Vermögen sein. Einkommen ist grundsätzlich alles, was jemand nach der ersten Antragstellung auf Gewährung der jeweiligen Sozialleistung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor der ersten Antragstellung bereits hatte. Sonderkonstellationen sind mannigfaltig denkbar. So hat das LSG Hamburg entschieden, dass dann, wenn der Erbe zum Zeitpunkt des Erbfalles Alg II bezieht, ihm die Mittel aus der Erbschaft aber erst nach einer Unterbrechung der Hilfebedürftigkeit während eines erneuten Leistungsbezuges zufließen, der aus der Erbschaft zufließende Betrag nicht als Einkommen, sondern als Vermögen anzusehen ist. Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt. Dies gilt jedenfalls, wenn Geld geerbt wird. Hat der Nachlass "Geldeswert", ist er im Recht des SGB II seit einer Änderung des § 11 Abs. 1 SGB II zum 1.8.2016 nach der Vorstellung des Gesetzgebers im Zuflussmonat anrechnungsfrei und ab dem 1. des Folgemonats als Vermögen anzurechnen. Im Recht des SGB XII hat es diese Rechtsänderung nicht gegeben, so dass die skizzierte Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen auch für einen Nachlass mit "Geldeswert" gilt. Ist der Nachlass sozialrechtlich Einkommen, so bleibt er dies regelmäßig nicht für immer. Vielmehr ändert er seinen "Aggregatzustand" grundsätzlich nach Ablauf eines Verteilzeitraums, wird dann also zu Vermögen. Dieser Verteilzeitraum beträgt nach § 11 Abs. 3 S. 4 SGB II und § 82 Abs. 7 S. 2 SGB XII regelmäßig 6 Monate. Nach der Rechtsprechung des BSG ist nun aber im Erbfall wie folgt zu differenzieren: Für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen und damit die Frage, wann der Erwerb von Todes wegen stattfindet, argumentiert das BSG streng formal. Bereits mit dem Todes- und damit Erbfall findet der Zufluss statt. Dies folgt aus § 1922 BGB und für den Fall der Miterbschaft aus § 2033 Abs. 1 BGB. Ist der Todesfall vor der ersten Antragstellung auf SGB II- oder SGB XII-Leistungen eingetreten, handelt es sich bei dem Erbe um Vermögen, andernfalls handelt es sich um Einkommen. Das bedeutet aber nicht, dass das Erbe sofort auf die Sozialleistung anzurechnen ist: Als Einkommen muss es vielmehr als "bereites Mittel" zur Verfügung stehen, als Vermögen verwertbar sein. Der Verwertbarkeit eines Erbes als bereites Mittel kann eine vom Erblasser angeordnete Dauertestamentsvollstreckung entgegenstehen. Für das Vermögen hat das BSG entschieden, dieses sei verwertbar, wenn seine Gegenstände verbraucht, übertragen und belastet werden können. Die Verwertu...