Dr. Claus-Henrik Horn, Dr. iur. Claus-Peter Bienert
Rz. 37
Die Anordnung der nicht befreiten Vorerbschaft ist für den Behinderten nutzlos, wenn nicht auch der Ertrag dem Zugriff des Sozialleistungsträgers vorenthalten bleibt. Bei einer befreiten Vorerbschaft und bei Unterlassen von Schutzmaßnahmen der Erträge könnten vermögens- und einkommensabhängige Sozialleistungen mit Hinweis auf den sozialhilfe- und grundsicherungsrechtlichen Nachranggrundsatz verweigert werden, bis Erträge und Vermögenssubstanz jenseits der Schonvermögensgrenze aufgebraucht worden sind. Die Anordnung der Dauervollstreckung gemäß § 2209 S. 1 Hs. 1 BGB verhindert diese unerwünschte Rechtsfolge.
1. Verhinderung des Zugriffs durch den Sozialleistungsträger
Rz. 38
Dem Testamentsvollstrecker steht sodann eine grundsätzlich unbeschränkte Verfügungsbefugnis zu, damit er den Nachlass verwalten kann (§ 2205 BGB). Gleichzeitig wird diese durch § 2211 BGB dem Erben entzogen. § 2214 BGB verhindert aufgrund der Testamentsvollstreckung den Zugriff von Gläubigern des behinderten Kindes auf das Nachlassvermögen. Der Sozialleistungsträger kann daher nicht Regress wegen seiner Leistungen in das Erbe nehmen.
Durch die Nacherbfolge mit Dauertestamentsvollstreckung wird ein Vollstreckungsschutz der Substanz gegenüber den Eigengläubigern des Erben erzielt. Ohne eine weitere Gestaltung wären aber die Nutzungen/Früchte als Reinerträge der Vorerbschaft noch dem Zugriff des Sozialleistungsträgers ausgesetzt. Der Testamentsvollstrecker hat die Nachlasserträge herauszugeben, wenn das vom Erblasser in einer Verwaltungsanweisung nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB angeordnet wurde oder wenn die Herausgabe der Nutzungen den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht (§ 2216 Abs. 1 BGB). Zur Verhinderung hat der Erblasser den Testamentsvollstrecker testamentarisch oder erbvertraglich durch Verwaltungsanordnung gemäß § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB anzuweisen, die jährlichen Reinerträge der Vorerbschaft an den Behinderten ausschließlich in solchen Formen auszukehren, dass der Sozialleistungsträger keinen Zugriff nehmen und Leistungen kürzen kann. Gibt aber entgegen der Verwaltungsanordnung der Testamentsvollstrecker das Erbe ganz oder teilweise frei, entfallen möglicherweise die Voraussetzungen zur Gewährung von insbesondere existenzsichernden Sozialleistungen.
Zu bedenken ist, dass der Zugriff des behinderten Kindes auf den Ertrag zwar eingeschränkt, aber nicht vollständig ausgeschlossen werden kann (§ 2220 BGB). Es ist nicht ausreichend, die Auskehrung des Ertrages dem Testamentsvollstrecker nach seinem freien Ermessen vorzubehalten. Allerdings ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass das BSG die Verwertbarkeit eines Erbes verneint hat, obwohl dem Testamentsvollstrecker die Möglichkeit eingeräumt worden war, sogar die Vermögenssubstanz nach freiem Ermessen in – ebenfalls in seinem Ermessen stehenden – Raten an die Hilfebedürftige auszuzahlen. Denn auch diese Anordnung bewirke keinen gesicherten Anspruch der Hilfebedürftigen. Zulässig und wohl auch geboten dürfte es sein, den Anspruch auf Naturalleistungen zu beschränken.
Rz. 39
Sozialrechtlich kann es im Einzelfall hochkompliziert sein, ob Zuwendungen, die das behinderte Kind als Vorerbe vom Testamentsvollstrecker aus dem Nachlass erhält, insbesondere im Recht des SGB XII anzurechnendes Einkommen oder Vermögen darstellen. So hat das BSG in der schon mehrfach zitierten Entscheidung zum Bedürftigentestament den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen, um über eine Berücksichtigung monatlicher Zahlungen i.H.v. 500 EUR durch den Testamentsvollstrecker bei der Prüfung des dort in Rede stehenden Anspruchs der Klägerin auf Kinderzuschlag zu entscheiden. Erste Frage ist, ob Einkommen oder Vermögen vorliegt. Ist der Erbfall vor Eintritt in den Leistungsbezug eingetreten, liegt im Grundsatz Vermögen vor. Dieser "Aggregatzustand" ändert sich nicht. Zahlungen, die durch den Testamentsvollstrecker aus der Vermögenssubstanz erfolgen, bleiben Vermögen, das aber durch die Zahlung und im Umfang derselben nunmehr verwertbar wird. Darüber, ob und inwieweit dieses ausgezahlte Vermögen dem Leistungsanspruch nach dem SGB XII entgegensteht, kann man trefflich streiten, was folgendes Beispiel verdeutlichen soll: Der Testamentsvollstrecker zahlt dem Sozialhilfeempfänger gemäß Verwaltungsanweisung monatlich 500 EUR aus dem Gesamtnachlass von 100.000 EUR. Der Erbfall war bereits vor der ersten Antragstellung auf Sozialhilfe eingetreten. Da aus der Vermögenssubstanz gezahlt, kann es sich bei den Zahlungen nur um Vermögen handeln. Die 500 EUR für sich übersteigen auch nicht den Freibetrag nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII. Stellt man aber für die Berechnung der Freibeträge auf das gesamte vorhandene, mithin auch unverwertbare Vermögen ab, wären die monatlichen Zahlungen unmittelbar anrechenbares Vermögen. Das BSG hat für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende – freilich in anderem Zusammenhang – ausgeführt, dass (nur) das verwertbar...