Dr. Claus-Henrik Horn, Dr. iur. Claus-Peter Bienert
I. Überblick
Rz. 64
Von der Rechtskonstruktion gleichen die Gestaltungen des Testaments zugunsten Überschuldeter, auch als Bedürftigentestament bezeichnet, denen des Behindertentestaments, so dass gleichermaßen die Vor- und Nacherbschaftslösung bzw. die Vermächtnislösung in Betracht kommt. Diese werden nicht als sittenwidrig zu bewerten sein, auch wenn diesbezüglich die Rechtslage nicht so sicher ist wie bei dem Behindertentestament (vgl. Rdn 20ff.). Bei der Vermächtnislösung tritt das Risiko mehr in den Vordergrund, dass die Gläubiger des Vorvermächtnisnehmers doch den Vermächtnisgegenstand pfänden können, da § 2115 BGB und § 863 ZPO, die den Nacherben schützen, nicht einschlägig sind. Der Nachvermächtnisnehmer ist entgegen dem Nacherben auch nicht zur Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO berechtigt. Im Zusammenhang mit dem Bedürftigentestament wird vertreten, dass das Vor- und Nachvermächtnis nicht insolvenz- und pfändungsfest sei. Bei einer Insolvenz des Bedürftigen stellt der Nachvermächtnisanspruch nur eine bloße Insolvenzforderung dar. Auch stellt der Nachvermächtnisanspruch in der eventuellen Nachlassinsolvenz des verstorbenen Bedürftigen eine bloße Insolvenzforderung dar. Ist der Bedürftige tatsächlich überschuldet und bezieht nicht nur Sozialleistungen, weil er über kein Einkommen verfügt, ist die Vermächtnislösung für ein Bedürftigentestament eher ungeeignet.
Diese Konstruktionen kommen aber nur dann in Betracht, wenn der Bedürftige sich weigert, einen lebzeitigen Pflichtteilsverzicht zu erklären, und der potenzielle Erblasser ihn dennoch begünstigen will und dabei hofft, dass sein bedürftiges Kind bzw. sein bedürftiger Ehegatte nicht nach § 2306 BGB ausschlägt und den Pflichtteil verlangt (vgl. Rdn 35). Dieser ist pfändbar und lässt sich überweisen, also durch den Gläubiger dann einziehen.
Abweichend von dem Behindertentestament ist es denkbar, dass zu einem Zeitpunkt nach dem Erbfall die Bedürftigkeit entfällt. Dieser Tatsache kann durch spezielle Klauseln Rechnung getragen werden. Keine sichere Gestaltung stellen aufschiebend bedingte oder befristete Vermächtnisse dar, wobei für den Bedingungs- bzw. Befristungseintritt ein Ereignis gewählt wird, ab dem bei dem Begünstigten keine Pfändungen mehr drohen. Jedoch ist zuvor schon quasi das "Vermächtnisanwartschaftsrecht" pfändbar und nach Bedingungstritt einziehbar (vgl. Rdn 10). Eine Option stellt aber ein Vermächtnis mit einer ggf. verlängerten Verjährungsfrist dar, das der dann vormals Bedürftige erst annimmt, wenn Gläubiger bei ihm nicht mehr pfänden können.
II. Pflichtteilsverzicht und pfändungsfreie Vermächtnisgegenstände
Rz. 65
Da der Bedürftige i.d.R. geschäftsfähig ist, ist es für die Gestaltung von überragender Bedeutung, dass er einen auch formgerechten Pflichtteilsverzicht nach § 2346 BGB erklärt. Dieser ist i.d.R. auch nicht sittenwidrig (vgl. Rdn 23). Auch wird dieser nicht zur Kürzung von Sozialleistungen führen, was aber letztlich nicht ganz klar ist. Für den Fall, dass kein lebzeitiger Erb- oder Pflichtteilsverzicht erklärt wurde, ist darauf hinzuweisen, dass der Pflichtteilsanspruch durch einen Gläubiger oder Insolvenzverwalter nur dann übergeleitet und eingezogen werden kann, wenn die Verwertungsreife nach § 852 ZPO vorliegt (vgl. Rdn 10). Diese kann nur der Schuldner herbeiführen. Im Gegensatz dazu kann der Sozialleistungsträger auch ohne eine Entscheidung des Hilfeempfängers den Pflichtteilsanspruch überleiten (vgl. Rdn 6).
Testamentarisch kann der Bedürftige durch Vermächtnisse begünstigt werden, die aber nicht pfändbar sein dürfen. Denkbar ist ein Nießbrauchsvermächtnis über zumeist wertlosen Hausrat und auch ein Wohnungsrechtsvermächtnis, wobei die Ausübung durch Dritte naturgemäß ausgeschlossen sein muss (Muster vgl. Rdn 60f.).
Rz. 66
Muster 21.7: Nießbrauchsvermächtnis über Hausrat
Muster 21.7: Nießbrauchsvermächtnis über Hausrat
Durch Vermächtnis begünstige ich _________________________ (bedürftige Person) mit dem lebenslänglichen Nießbrauch sämtlicher Gegenstände des Hausrats in meiner Wohnung.
Rz. 67
Innerhalb der Pfändungsfreibeträge können dem Bedürftigen auch monatliche Geldzahlungen vermacht werden. Diese müsste der Berechtigte aus "Gründen der Fürsorge und der Freigiebigkeit" erhalten (§§ 850b Abs. 1 Nr. 3, 850c ZPO; pfändbar nur nach § 850b Abs. 2 ZPO). Dabei gelten die Pfändungsgrenzen wie bei Arbeitseinkommen. Wenn der Berechtigte jedoch über eigenes Einkommen verfügt, sind über die Pfändungsgrenze hinausgehende Beträge pfändbar. Naturalleistungen werden addiert. Auch werden keine Sozialleistungen mehr gewährt, da der Bedürftige schließlich über "bereite Mittel" verfügt. Ebenfalls kommt die Begünstigung durch eine Auflage i.S.d. § 1940 BGB in Betracht, auf die kein klagefähiger Anspruch besteht. Eine Pfändung und Einziehung durch einen Gläubiger ist ausgeschlossen.
Rz. 68
Der lebzeitige Pflichtteilsverzicht kann auch als Schutz...