Rz. 53

Nicht stets empfehlenswert ist die Gestaltung, wonach in einem gemeinschaftlichen Testament im ersten Erbfall der längerlebende Ehegatte Vollerbe und nur das behinderte Kind Vorerbe wird. Das führt dazu, dass sich der Pflichtteilsanspruch des behinderten Kindes im zweiten Erbfall auch (nochmals) auf Basis des geerbten Vermögens berechnet. Die Pflichtteilsquote würde sich in diesem Fall "auf das durch den Tod des erstversterbenden Ehegatten erhöhte Vermögen des längerlebenden Ehegatten beziehen".[153] Folglich kann auch der längerlebende Ehegatte zum (befreiten) Vorerben eingesetzt werden. Das führt zu einer Trennung zwischen dem Eigenvermögen und dem der Nacherbschaft unterliegenden Vermögen, so dass sich im zweiten Erbfall die Pflichtteilsansprüche nur auf das Eigenvermögen des Längstlebenden berechnen. Jedoch bestehen auch Nachteile:[154] Gewährt der längerlebende Ehegatte aus dem geerbten, der Nacherbfolge unterstehenden Vermögen Schenkungen, sind diese nichtig (§ 2113 Abs. 2 BGB) und von den Nacherben nach dem Erbfall rückforderbar. Zudem hat der längerlebende Ehegatte nicht die Möglichkeit, über dieses Nachlassvermögen die Erbeinsetzung zu variieren oder Vermächtnisse auszusetzen.

 

Rz. 54

Muster 21.4: Längerlebender Ehegatte als befreiter Vorerbe

 

Muster 21.4: Längerlebender Ehegatte als befreiter Vorerbe

Der längerlebende Ehegatte ist ebenfalls Vorerbe. Der Vorerbe ist mithin von allen gesetzlichen Beschränkungen und Verpflichtungen befreit, soweit dies zulässig ist. Er ist insoweit zur freien Verfügung über die Erbschaft (bis auf Schenkungen) und zu ihrem Verzehr berechtigt.

Zum Nacherben berufe ich _________________________ (gesundes Kind) und _________________________ (gesundes Kind) zu gleichen Teilen. Ersatznacherben sind die Abkömmlinge des weggefallenen Miterben, mehrere unter sich nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. Sind keine Abkömmlinge als Ersatzerben vorhanden, so wächst der Erbteil den übrigen Erben nach dem Verhältnis ihrer Erbteile an.

Der Nacherbfall tritt mit dem Tod des Vorerben ein.

Die Nacherbenanwartschaft ist zwischen Erbfall und Nacherbfall nicht übertragbar, nicht verpfändbar und nicht vererblich. Das gilt jedoch nicht für eine Veräußerung an den Vorerben; in diesem Fall entfällt auch jede ausdrückliche oder stillschweigende Ersatznacherbeneinsetzung.

Sollte _________________________ (behindertes Kind) vorverstorben sein oder aus anderen Gründen nicht zur Erbfolge gelangen, so entfällt die Beschränkung durch die Nacherbschaft; der längerlebende Ehegatte wird unbeschränkter Alleinerbe.

[153] Ruby, ZEV 2006, 66, 67.
[154] Vgl. Groll/Steiner/Krauß, Erbrechtsberatung, § 12 Rn 58.

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