Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 20
Gem. § 234 Abs. 1 S. 1 ZPO muss die Wiedereinsetzung innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Diese Zwei-Wochen-Frist gilt jedoch nur bei Notfristen und der Wiedereinsetzungsfrist selbst (Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzung). Die Frist beträgt dann einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten, § 234 Abs. 1 S. 2 ZPO. Die längere Wiedereinsetzungsfrist bei den genannten Rechtsmittelbegründungsfristen hängt zum einen mit dem erheblichen Mehraufwand zusammen, den die Begründungsschrift gegenüber einer Einlegungsschrift hat.
Rz. 21
Fristbeginn ist der Ablauf desjenigen Tages, an dem das Hindernis behoben wurde, §§ 234 Abs. 2, 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB. Für den Fristablauf gilt § 188 Abs. 1 ZPO; die Frist endet daher mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endet die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats, § 188 Abs. 3 ZPO. Darüber hinaus gilt § 222 Abs. 2 ZPO; fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags. Häufig wird in der Praxis der Fristbeginn für einen Wiedereinsetzungsantrag nicht erkannt und unterschätzt. So beginnt nach Ansicht des BGH die Wiedereinsetzungsfrist auch zu laufen, wenn durch den Hinweis eines gegnerischen Anwalts ein Fristversäumnis offenbar wird. Auch wenn sich aus einer Mitteilung des Gerichts unzweifelhaft ergibt, dass etwas schiefgelaufen ist, kann eine solche Nachricht Nachforschungspflichten des Rechtsanwalts auslösen. Fehlt es z.B. an der Unterschrift, läuft die Wiedereinsetzungsfrist mit dem Hinweis des Gerichts, dass die letzte Seite mit der Unterschrift nicht fristgerecht bei Gericht eingegangen ist. Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt somit spätestens mit dem Zeitpunkt, in dem der verantwortliche Anwalt bei Anwendung der unter den gegebenen Umständen von ihm zu erwartenden Sorgfalt die eingetretene Säumnis hätte erkennen können und müssen. Ein Wiedereinsetzungsantrag ist notfalls auch vorsorglich zu stellen und die versäumte Prozesshandlung nachzuholen für den Fall, dass das Gericht die Unterschrift auf dem ursprünglich eingereichten Schriftsatz (endgültig) nicht akzeptieren und eine Berufung verwerfen wird. Im Zweifel sollte man also durchaus von einem sehr frühzeitigen Beginn der Wiedereinsetzungsfrist ausgehen und nicht erst die Verwerfung eines Rechtsmittels abwarten. Hier ist in der Praxis zu beobachten, dass Anwälte häufig warten, bis das Gericht eine Entscheidung trifft, indem es z.B. dem Vortrag des Anwalts nicht folgt und die Berufung wie beabsichtigt verwirft. Dann kann es aber für einen Wiedereinsetzungsantrag zu spät sein. Besondere Vorsicht ist daher auch dann geboten, wenn z.B. das Gericht auf den Hinweis, dass es eine Berufung zu verwerfen beabsichtigt, eine Stellungnahmefrist von drei Wochen setzt. Geht es um die Notfrist der Berufung selbst, läuft die Wiedereinsetzungsfrist möglicherweise vor der Stellungnahmefrist ab. Hierauf ist beim Notieren von Fristen zu achten.
Rz. 22
Beispiel
RA Huber erhält vom Gericht nach Einlegung der Berufung den Hinweis, dass seine einfache elektronische Signatur als nicht ausreichend i.S.d. § 130a Abs. 3 S. 1 Alt. 2 ZPO angesehen wird. Er wird aufgefordert, binnen einer Drei-Wochen-Frist zum Hinweis des Gerichts Stellung zu nehmen. Ab Zugang dieses Hinweises hat RA Huber nun Kenntnis davon, dass etwas "schiefgelaufen" sein könnte. Er ist jedoch der Ansicht, dass einfache elektronische Signatur sehr wohl ausreichend ist und trägt entsprechend vor. Das Gericht bleibt jedoch bei seiner Auffassung und verwirft die Berufung durch Beschluss. Gegen diesen Beschluss legt RA Huber gem. § 522 Abs. 1 ZPO Rechtsbeschwerde ein. Der BGH äußert sich im Verfahren jedoch ähnlich wie das Berufungsgericht und weist auf die nach seiner Ansicht nicht ausreichende einfache elektronische Signatur hin. RA Huber, dem nun alle Felle davon zu schwimmen drohen, stellt erst jetzt Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, dass das Fristversäumnis unverschuldet sei, schließlich habe die Vorinstanz diese einfache elektronische Signatur bisher anerkannt. Obwohl er die versäumte Prozesshandlung mit korrekter einfacher elektronischer Signatur nun nachholt, den Antrag begründet und seine Angaben glaubhaft macht, verliert er. Denn die Frist für den Wiedereinsetzungsantrag ist bereits abgelaufen. Er hatte nur zwei Wochen Zeit, nach dem Hinweis des Gerichts höchst vorsorglich einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen. Da er darauf "vertraute", dass das Gericht die geleistete einfache elektronische Signatur als ausrei...