a) Schenkungsbegriff
Rz. 7
Der Erblasser muss durch Schenkung verfügt haben. Der Schenkungsbegriff ist derselbe wie bei § 516 BGB, d.h. objektive und subjektive Unentgeltlichkeit müssen vorliegen. Bei Schenkungen, die einer sittlichen Pflicht oder einer Anstandspflicht entsprechen, § 534 BGB, wird man nicht von einem Missbrauch i.S.v. § 2287 BGB sprechen können; ebenso nicht bei Schenkungen aus persönlichen Rücksichten.
Eine Anstandsschenkung, die nicht zu einem Anspruch nach § 2287 BGB führt, kann auch sehr hochwertig sein.
b) Gemischte Schenkung
Rz. 8
Auch gemischte Schenkungen können Ansprüche nach § 2287 BGB auslösen. Bei einer gemischten Schenkung müssen sich die Vertragsparteien (des Schenkungsvertrags) über die teilweise Unentgeltlichkeit einig gewesen sein. Von praktischer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Fälle der "belohnenden Schenkung". Davon spricht man, wenn der Beschenkte Vorleistungen erbracht hat, etwa durch Dienste im Haus/Geschäft oder durch Pflege des Schenkers. Das OLG Düsseldorf und auch der BGH nennen solche Vorleistungen "vorweggenommene Erfüllungshandlung". Entscheidend für die subjektive Seite einer ganz oder teilweise unentgeltlichen Zuwendung ist der Parteiwille. Der Rechtsgestalter sollte sich deshalb intensiv mit der Problematik und dem zugrunde liegenden Sachverhalt auseinandersetzen. Nach der BGH-Rechtsprechung kann der Erblasser ein zunächst als unentgeltlich definiertes Rechtsgeschäft durch einseitige Erklärung nachträglich in ein voll entgeltliches Rechtsgeschäft umwandeln. Dies ist sogar testamentarisch möglich.
Rz. 9
Zur Bewertung eines Wohnungsrechts und zur Abgrenzung eines Vertrags, durch den ein Erblasser sein Eigentum an einem Hausgrundstück gegen Rentenzahlungen und Einräumung eines Wohnungsrechts überträgt, von einem Schenkungsvertrag siehe Rdn 27.
c) Bewertung der Gegenleistung
aa) Subjektive Äquivalenz
Rz. 10
Die Frage der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit eines Rechtsgeschäfts hängt entscheidend von der Bewertung von Leistung und Gegenleistung ab. Ist die Gegenleistung in vollem Umfang werthaltig, so scheidet § 2287 BGB aus, weil es sich in einem solchen Falle um ein voll entgeltliches Rechtsgeschäft handelt. Nach dem von der h.M. und der BGH-Rechtsprechung vertretenen Prinzip der subjektiven Äquivalenz können die Parteien im Rahmen der ihnen zukommenden Privatautonomie den Wert von Leistung und Gegenleistung grundsätzlich selbst bestimmen. Allerdings kann die Parteiautonomie nicht so weit gehen, dass eine vollkommen fehlende Gegenleistung ersetzt werden oder dass die Bewertung willkürlich sein könnte. Der BGH hat in einem Urt. v. 6.3.1996 noch einmal ausdrücklich klargestellt, dass eine gemischte Schenkung eine Einigung der Vertragsparteien über die teilweise Unentgeltlichkeit voraussetzt.
Rz. 11
Vertraglich begründete Pflegeverpflichtungen beziehen sich auf Sachleistungen (Dienstleistungen). Für die Bewertung der Leistungsverpflichtung kann – soweit sich kein anderer Anhaltspunkt aus dem Vertrag ergibt – auf die Werte nach dem Pflegeversicherungsgesetz abgestellt werden.
Rz. 12
Wegen der bekannten praktischen Schwierigkeiten jeder Bewertung im objektiven und subjektiven Sinne ist der BGH dem Problem mit einer Beweislastregel begegnet: Besteht zwischen Leistung und Gegenleistung ein "auffallend grobes Missverhältnis", so wird vermutet, den Parteien sei dies bekannt gewesen und sie seien sich über die teilweise Unentgeltlichkeit auch einig gewesen.
Große Dankbarkeit für den pflegerischen Aufwand und für die Begleitung im Alltag kann nach einer allgemeinen Lebenserfahrung eine plausible und nachvollziehbare Motivation eines Erblassers für eine Schenkung eines – auch hohen – Geldbetrags an die pflegende Person sein.
Rz. 13
In einem vom BGH zu § 528 BGB entschiedenen Fall, bei dem sich der Schenker den Nießbrauch an einem Gebäude vorbehalten hatte, das Objekt mit 150.000 DM und der Nießbrauch mit 121.000 DM bewertet worden waren – also bei ca. 80-prozentiger Gegenleistung –, hat der BGH die Beweiserleichterung für den Erben nicht bejaht, weil der neue Eigentümer und Beschenkte die laufenden Erhaltungskosten zu tragen hatte und mit erheblichen Kosten auf diesem Sektor zu rechnen war.
Rz. 14
Nur der überschießende unentgeltliche Teil einer gemischten Schenkung kann Gegenstand des Bereicherungsanspruchs nach § 2287 BGB sein.