Rz. 135
Für die Frage, ob ein Empfänger einer Schenkung das dadurch Erlangte seinem Ehegatten als Dritten unentgeltlich zugewendet hat, ist im Verhältnis zum Gläubiger nicht nach den Regeln des ehelichen Güterrechts zu beurteilen. Unbenannte Zuwendungen unter Ehegatten sind unentgeltliche Zuwendungen i.S.v. § 822 BGB. Ein solcher Bereicherungsanspruch kann in der Fallkonstellation des § 2287 BGB dem Erbvertrags-Erben zustehen.
Rz. 136
Der BGH hat mit Urt. v. 23.9.1999 zur Problematik des bereicherungsrechtlichen Anspruchs aus § 528 BGB den nachstehend behandelten Fall entschieden. Diese Rechtsprechung dürfte auf den Bereicherungsanspruch des § 2287 BGB übertragbar sein.
Vereinfachter und abgewandelter Sachverhalt: Die Erblasserin ist die Mutter des Beschenkten. Ihm hat sie im Jahr 1995 einen Geldbetrag von 200.000 DM geschenkt. Dieser gab das Geld an seine Ehefrau weiter, die damit ein Wohnhaus errichtete, in dem das Ehepaar wohnte. 1998 musste sich die Schenkerin in ein Altenheim begeben. Für die dort entstehenden Kosten waren ihre Ersparnisse in kurzer Zeit aufgebraucht. Sie erhielt daraufhin Sozialhilfeleistungen. Der Sozialhilfeträger ist nach dem Tod der Schenkerin an deren Erben wegen der Rückerstattung der Sozialhilfeleistungen herangetreten. Die Erben verlangen von der Schwiegertochter der schenkenden Erblasserin Rückzahlung der 200.000 DM.
Rz. 137
Wenn ein Schenker nach vollzogener Schenkung in die Lage kommt, seinen eigenen Unterhalt nicht mehr bestreiten zu können, kann er das Geschenk nach § 528 Abs. 1 S. 1 BGB zurückverlangen. Diese Notlage des Schenkers muss innerhalb der Zehnjahresfrist des § 529 Abs. 1 BGB eingetreten sein. § 528 Abs. 1 S. 1 BGB enthält eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht. Der beschenkte Sohn hatte den zugewandten Geldbetrag an seine Ehefrau weitergegeben und war deshalb zur Rückzahlung außerstande.
Fraglich war, ob die Erben der Schenkerin das Geld von der Ehefrau des Sohnes auf der Grundlage von § 822 BGB zurückverlangen konnten. Zunächst war zu prüfen, ob § 822 BGB überhaupt angewandt werden konnte. Denn § 528 Abs. 1 S. 1 BGB spricht nur von einem Rückforderungsanspruch gegen den Beschenkten, nicht aber von Ansprüchen gegen Dritte. Der BGH hält § 822 BGB gleichwohl für anwendbar.
Rz. 138
§ 528 BGB gibt der Unterhaltssicherung des Schenkers Vorrang vor dem Vertrauen des Beschenkten. Deshalb wird der Beschenkte so behandelt, als habe er das Geschenk rechtsgrundlos erhalten, und muss es nach §§ 818 ff. BGB wieder herausgeben. Unentgeltliche Zuwendungen genießen nicht denselben Vertrauensschutz in Bezug auf das Behaltendürfen wie entgeltliche Erwerbe. Deshalb ist der Durchgriff vom Schenker – bzw. dessen Erben – auf den nicht schutzwürdigen "Weiterbeschenkten" nach § 822 BGB zulässig.
Rz. 139
Zwei Voraussetzungen müssen bei einem Anspruch nach § 822 BGB erfüllt sein:
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Der Anspruchsschuldner – hier die Schwiegertochter der Schenkerin – muss das Erlangte unentgeltlich erhalten haben. |
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Derjenige, der dem Anspruchsschuldner (Schwiegertochter) das durch die Schenkung Erlangte zugewendet hat (der Sohn der Schenkerin), muss zur Herausgabe an den Gläubiger (Erben der Schenkerin) außerstande sein. |
Rz. 140
Zur Unentgeltlichkeit des Erwerbs der Schwiegertochter:
Zuwendungen unter Ehegatten sind nur ausnahmsweise als Schenkungen i.S.v. § 516 BGB zu qualifizieren, vielmehr liegt im Zweifel eine unbenannte Zuwendung vor. Von Letzterem ist hier auszugehen, weil das weitergegebene Geld zum Erwerb eines Familienheims gedient hat. Für eine rein freigiebige Leistung gibt es keine Anhaltspunkte. Die unbenannte Zuwendung ist zivilrechtlich keine unentgeltliche Leistung, weil sie im Hinblick auf die Erwartung des Fortbestandes der Ehe gewährt wird. Es werden also immaterielle Gegenleistungen gewährt.
Damit hat die Schwiegertochter der Schenkerin die 200.000 DM nicht durch eine unentgeltliche Zuwendung erlangt. Gleichwohl hat der BGH § 822 BGB angewandt:
Rz. 141
Zitat
"Die güterrechtliche Behandlung und mithin auch die Einordnung als unbenannte Zuwendung im Verhältnis der Ehegatten zueinander ist für die Frage der Anwendbarkeit des § 822 BGB auf Ansprüche Dritter gegen den Ehegatten in Bezug auf Vermögensgegenstände, die diesem unentgeltlich vom anderen Ehegatten zugewendet werden, nicht ausschlaggebend. Ob der Empfänger das Erlangte seinem Ehegatten unentgeltlich zugewendet hat, ist im Verhältnis zum außerhalb der güterrechtlichen Beziehung stehenden Gläubiger nicht nach güterrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen."
Rz. 142
Der BGH unterscheidet also zwischen dem Innenverhältnis der Ehegatten zueinander und dem Außenverhältnis zu Dritten und beschränkt die Anwendung der Rechtsfigur der unbenannten Zuwendung auf das Innenverhältnis.
Rz. 143
Zitat
"Deshalb (sind) sowohl unentgeltliche Zuwendungen im Sinn des Schenkungsrechts als auch jedenfalls im Regelfall sonstige ohne eigentliche, vermögensrechtlich fassbare Gegenleistung erfolgende, objektiv unentgel...