Rz. 10

Die Frage der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit eines Rechtsgeschäfts hängt entscheidend von der Bewertung von Leistung und Gegenleistung ab. Ist die Gegenleistung in vollem Umfang werthaltig, so scheidet § 2287 BGB aus, weil es sich in einem solchen Falle um ein voll entgeltliches Rechtsgeschäft handelt. Nach dem von der h.M. und der BGH-Rechtsprechung vertretenen Prinzip der subjektiven Äquivalenz können die Parteien im Rahmen der ihnen zukommenden Privatautonomie den Wert von Leistung und Gegenleistung grundsätzlich selbst bestimmen.[22] Allerdings kann die Parteiautonomie nicht so weit gehen, dass eine vollkommen fehlende Gegenleistung ersetzt werden oder dass die Bewertung willkürlich sein könnte.[23] Der BGH hat in einem Urt. v. 6.3.1996[24] noch einmal ausdrücklich klargestellt, dass eine gemischte Schenkung eine Einigung der Vertragsparteien über die teilweise Unentgeltlichkeit voraussetzt.[25]

 

Rz. 11

Vertraglich begründete Pflegeverpflichtungen beziehen sich auf Sachleistungen (Dienstleistungen). Für die Bewertung der Leistungsverpflichtung kann – soweit sich kein anderer Anhaltspunkt aus dem Vertrag ergibt – auf die Werte nach dem Pflegeversicherungsgesetz abgestellt werden.[26]

 

Rz. 12

Wegen der bekannten praktischen Schwierigkeiten jeder Bewertung im objektiven und subjektiven Sinne ist der BGH dem Problem mit einer Beweislastregel begegnet: Besteht zwischen Leistung und Gegenleistung ein "auffallend grobes Missverhältnis", so wird vermutet, den Parteien sei dies bekannt gewesen und sie seien sich über die teilweise Unentgeltlichkeit auch einig gewesen.[27]

Große Dankbarkeit für den pflegerischen Aufwand und für die Begleitung im Alltag kann nach einer allgemeinen Lebenserfahrung eine plausible und nachvollziehbare Motivation eines Erblassers für eine Schenkung eines – auch hohen – Geldbetrags an die pflegende Person sein.[28]

 

Rz. 13

In einem vom BGH zu § 528 BGB[29] entschiedenen Fall, bei dem sich der Schenker den Nießbrauch an einem Gebäude vorbehalten hatte, das Objekt mit 150.000 DM und der Nießbrauch mit 121.000 DM bewertet worden waren – also bei ca. 80-prozentiger Gegenleistung –, hat der BGH die Beweiserleichterung für den Erben nicht bejaht, weil der neue Eigentümer und Beschenkte die laufenden Erhaltungskosten zu tragen hatte und mit erheblichen Kosten auf diesem Sektor zu rechnen war.[30]

 

Rz. 14

Nur der überschießende unentgeltliche Teil einer gemischten Schenkung kann Gegenstand des Bereicherungsanspruchs nach § 2287 BGB sein.[31]

[22] BGH NJW 1995, 1349 = DNotZ 1996, 640; BGHZ 59, 132; 82, 274; OLG Hamm AgrarR 1997, 441; OLG Koblenz ZErb 2021, 66.
[23] BGHZ 59, 132, 136; BGH FamRZ 1989, 732.
[24] BGH ZEV 1996, 197.
[25] Vgl. auch BGHZ 82, 274, 281, 282.
[26] OFD Koblenz DStR 1996, 786; OLG Stuttgart, Urt. v. 30.8.2007 – 19 U 27/07, juris.
[27] BGH, Beschl. v. 6.11.2013 – XII ZB 434/12, FamRZ 2014, 98 = NJW 2014, 294; BGHZ 59, 132, 136; BGHZ 116, 178, 183; OLG Koblenz, Beschl. v. 24.9.2020 – 12 U 646/20, ZErb 2021, 66; vgl. auch J. Mayer, DNotZ 1996, 613 und Reimann/Bengel/Dietz, § 2287 BGB Rn 19 ff.
[29] Der ebenfalls auf die Bereicherungsvorschriften verweist.
[30] BGH NJW-RR 1996, 754 = ZEV 1996, 197 (zu § 528 BGB).
[31] Reimann/Bengel/Dietz, § 2287 BGB Rn 22.

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