I. Schutzzweck des § 2287 BGB
Rz. 2
Die Bindungswirkung eines Erbvertrags gilt zunächst nur insofern, als der Erblasser keine abweichende Verfügung von Todes wegen mehr errichten kann, § 2289 BGB. Im Grundsatz bleibt der Erblasser aber trotz seiner Bindung an den Erbvertrag berechtigt, über sein Vermögen – und dereinstigen Nachlass – frei unter Lebenden zu verfügen. Geschützt werden muss der vertragsmäßig eingesetzte Erbe aber gegen missbräuchliche Verfügungen des Erblassers unter Lebenden unter Umgehung der erbvertraglichen Bindung. Der durch Erbvertrag eingesetzte Erbe wird durch § 2287 BGB gegen beeinträchtigende Schenkungen des Erblassers geschützt. Allerdings sind die vorgenommenen Schenkungen wirksam; sie geben dem benachteiligten Erben lediglich nach dem Tode des Erblassers einen Anspruch auf Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Damit besteht für den vertragsmäßig Bedachten auch die Gefahr, dass die Bereicherung zwischenzeitlich weggefallen sein könnte, § 818 Abs. 3 BGB. Dem Erben soll der Wert des Nachlasses bewahrt werden, auf Erhaltung des Nachlasses in einer bestimmten gegenständlichen Zusammensetzung hat er keinen Anspruch.
Bei § 2287 BGB ist eine Abwägung zwischen den geschützten Interessen des Vertragserben einerseits und der grundsätzlich bestehenden Verfügungsfreiheit des Erblassers unter Lebenden, § 2286 BGB, andererseits vorzunehmen.
Rz. 3
Eine Feststellungsklage zu Lebzeiten des Erblassers mit dem Ziel, festzustellen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2287 BGB erfüllt seien, ist unzulässig.
II. Analoge Anwendung von § 2287 BGB auf das bindend gewordene gemeinschaftliche Testament
Rz. 4
Die Vorschrift des § 2287 BGB findet analoge Anwendung auf die gem. §§ 2270, 2271 BGB nach dem Tod des erststerbenden Ehegatten bindend gewordene Erbeinsetzung des/der Schlusserben in einem gemeinschaftlichen Testament.
Die Wechselbezüglichkeit ist für jede einzelne Verfügung gesondert zu ermitteln, wobei insoweit der Wortlaut und der Inhalt des gemeinschaftlichen Testaments maßgebend sind. Lässt sich aus dem Inhalt der Urkunde keine klare Regelung hierzu entnehmen, ist die Wechselbezüglichkeit der getroffenen Verfügung durch Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments zu ermitteln. Erst wenn auch die individuelle Auslegung kein eindeutiges Ergebnis gebracht hat, ist die Wechselbezüglichkeit unter Anwendung der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB festzustellen. Verfügungen, die im Wechselbezug stehen, müssen nicht zwingend zeitgleich in einer einheitlichen Urkunde getroffen werden. Sie können auch nacheinander in getrennten Urkunden niedergelegt werden. Allerdings muss in diesem Fall ein entsprechender Verknüpfungswille feststellbar sein, der sich aus den Urkunden zumindest andeutungsweise ergeben muss. Auch ein langer Zeitraum von fast 40 Jahren, der zwischen den beiden Testamenten liegt, spricht nach den Gesamtumständen nicht entscheidend gegen die Annahme eines Verknüpfungswillens der Eheleute. Anhaltspunkte für eine nachträgliche Verknüpfung können sich etwa auch aus einer inhaltlichen Bezugnahme und einer gemeinsamen Verwahrung der Testamente ergeben.
Bei gemeinschaftlichen Testamenten, die nach dem ZGB-DDR errichtet worden sind, findet § 2287 BGB keine Anwendung, weil nach DDR-Recht der überlebende Ehegatte keiner Bindung i.S.v. §§ 2270, 2271 BGB unterlag.
Bezüglich des Kreises der berechtigten Personen ist jedoch die Änderung der BGH-Rechtsprechung zur gesetzlichen Ersatzerbfolge beim Berliner Testament von Bedeutung: Die langjährige Rechtsprechung des BGH, dass auch die Auslegungsregel des § 2069 BGB, wonach bei Wegfall eines eingesetzten Abkömmlings im Zweifel dessen Abkömmlinge als Ersatzerben nachrücken, auch von der Wechselbezüglichkeit der ursprünglichen Erbeinsetzung mit umfasst werde, hat dieser in seinem Urt. v. 16.1.2002 aufgegeben:
Der gesetzliche Ersatzerbe gehört demnach nicht zum begünstigten Personenkreis.