I. Schutzzweck des § 2288 BGB
1. Erweiterung des Schutzes des Vermächtnisnehmers
Rz. 185
Derjenige, dem erbvertraglich ein Vermächtnis zugewandt wurde, soll über die Vorschriften des § 2165 (Beseitigung von Belastungen) und der §§ 2169, 2170 BGB (Verschaffungsvermächtnis) hinaus geschützt werden. Insofern bestehen Ähnlichkeiten zur Schutzvorschrift des § 2287 BGB, die den Schutz der Erberwartung des Vertragserben zum Gegenstand hat. Allerdings reichen die Regelungen des § 2288 BGB in mehrerlei Hinsicht über die des § 2287 BGB hinaus: Nicht nur gegen beeinträchtigende Verfügungen, sondern auch gegen tatsächliche Einwirkungen von Seiten des Erblassers auf den Vermächtnisgegenstand wird der Vertrags-Vermächtnisnehmer geschützt (vgl. im Übrigen zum Vermächtnis § 15 Rdn 1 ff.).
Rz. 186
Wenn der Erblasser in der Absicht gehandelt hat, den Vermächtnisnehmer zu beeinträchtigen, so stehen diesem Ersatzansprüche gegen den Erben zu bei
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Zerstörung |
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Beiseiteschaffen |
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Beschädigung |
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entgeltlicher Veräußerung |
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unentgeltlicher Veräußerung |
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entgeltlicher Belastung |
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unentgeltlicher Belastung |
des Vermächtnisgegenstands.
Rz. 187
Auf das bindend gewordene gemeinschaftliche Testament ist § 2288 BGB ebenso entsprechend anwendbar wie § 2287 BGB.
2. Lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers an einer Verfügung über den vermachten Gegenstand
Rz. 188
Der BGH zu der Frage, wann ein solches lebzeitiges Eigeninteresse nicht zu bejahen ist:
Zitat
"Für eine Beeinträchtigungsabsicht des erbvertraglich gebundenen Erblassers spricht im Fall des § 2288 Abs. 2 S. 1 BGB bereits die Veräußerung des vermachten Gegenstandes in dem Bewusstsein, dass damit dem Vermächtnis der Boden entzogen wird und dass die Gegenleistung für die Veräußerung keinen Ersatz für den Vermächtnisnehmer darstellt. Ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers kann nur bejaht werden, wenn sich das Interesse des Erblassers gerade auf die Veräußerung des Vermächtnisgegenstands richtete und der erstrebte Zweck nicht auch durch andere wirtschaftliche Maßnahmen zu erreichen gewesen wäre (im Anschluss an BGH, NJW 1984, 731 = LM § 2288 BGB Nr. 4)."
Rz. 189
Für die Anerkennung eines lebzeitigen Eigeninteresses ist es nicht Voraussetzung, dass sich der maßgebliche Umstand erst nach Abschluss des Erbvertrags ergibt. Notwendig ist aber, dass sich die Sachlage seit Abschluss des Erbvertrags geändert hat.
3. Verhältnis zum Verschaffungsvermächtnis
Rz. 190
Eine Vermächtnisanordnung ist unwirksam, wenn der vermachte Gegenstand beim Erbfall nicht mehr zum Nachlass gehört und wenn der Erblasser auch nicht wollte, dass der Gegenstand dem Bedachten verschafft werden solle, § 2169 Abs. 1 BGB. Die Vorschriften zum Verschaffungsvermächtnis, §§ 2169, 2170 BGB, gelten sowohl für das einseitig verfügte Vermächtnis als auch für das erbvertragliche. Nur für das erbvertraglich oder testamentarisch bindend angeordnete Vermächtnis gilt zusätzlich der Schutz des § 2288 BGB. Der Erblasser kann über den Vermächtnisgegenstand frei unter Lebenden verfügen, § 2286 BGB. Im Interesse des Vertrags-Vermächtnisnehmers beugt § 2288 BGB dem Fall vor, dass der Erblasser trotz des bestehenden bindenden Erbvertrags sich durch Zerstörung, Beschädigung oder Beiseiteschaffen des vermachten Gegenstands seiner vertraglichen Bindung entzieht.
II. Anspruchsgläubiger
Rz. 191
Berechtigt ist derjenige, dem das Vermächtnis vertragsmäßig i.S.v. § 2278 Abs. 2 BGB zugewandt wurde, nicht auch der Erbvertrags-Partner, der lediglich die vertraglichen Erklärungen des Erblassers entgegennimmt, aber selbst gar nicht durch die Vermächtnisanordnung bedacht wurde. Die Auslegung eines Testaments kann bei der Bestimmung eines Schlusserben auch die Anordnung lediglich eines Vermächtnisses ergeben. Ist der Erbe zugleich Vermächtnispartner, dann kann er Beeinträchtigungen in seiner Stellung als Vermächtnisnehmer nur entsprechend der Vorschrift des § 2288 BGB geltend machen.
Einseitige Vermächtnisse, wie sie auch in Erbverträgen möglich sind (§ 2299 BGB), genießen den Schutz des § 2288 BGB nicht. Aber nicht nur Vermächtnisse auf Individualgegenstände fallen unter die Norm, sondern auch Geld- und sonstige Gattungsvermächtnisse.
Rz. 192
Auch Verschaffungsvermächtnisse unterliegen dem Schutz von § 2288 BGB.
Dazu der BGH:
Zitat
Jedenfalls besteht kein Grund, Verschaffungsvermächtnisse von dem Schutz des § 2288 Abs. 2 S. 2 BGB von vornherein auszunehmen. Eine solche Ausnahme, die das (Normal-)Vermächtnis gegen Schenkungen des Erblassers durch diese Vorschrift schützen und das in seiner Ausgestaltung stärkere Verschaffungsvermächtnis (vgl. §§ 2169 Abs. 1 S. 1, 2170 BGB) schutzlos lassen wollte, wäre ungereimt.
Ebenso wenig lassen sich einleuchtende Gründe dafür finden, den gesetzlichen Schutzbereich des § 2288 BGB allgemein auf Stückvermächtnisse zu verengen und sowohl Geld- als auch (sonstige) Gattungsvermächtnisse bindender Art von dem gesetzlichen Schutz auszunehmen. Eine derartige Einschränkung des Schutzes vertraglich vereinbarter oder sonst bindender Vermächtnisse liefe vielmehr darauf hin...