Rz. 23
Hat sich der Schenker – was in der Praxis häufig vorkommt – den Nießbrauch an dem geschenkten Gegenstand vorbehalten, so ist vom Wert des Gegenstands der dem Schenker eingeräumte kapitalisierte Nießbrauch abzuziehen. Nur dieser Rest ist der Wert der Schenkung.
Wie die Kapitalisierung des Nießbrauchs zu erfolgen hat, wird vom BGH nicht präzisiert. In Frage kommt eine Bewertung nach der Allgemeinen Sterbetafel, nach § 14 Abs. 1 BewG oder nach der konkreten Nießbrauchsdauer. Letztere kann in Betracht kommen, wenn der Nießbrauch durch ganze oder teilweise rechtsgeschäftliche Aufgabe erlischt.
Bei einer Gewährung des Nießbrauchs auf Lebensdauer ist mit der h.M. eine abstrakte Berechnung vorzunehmen. Die BGH-Rechtsprechung spricht dafür, die Kapitalisierung nach der statistischen Lebenserwartung, also entsprechend der Sterbetafel, vorzunehmen unter Zugrundelegung des durchschnittlichen Reinertrags des konkreten Nießbrauchs und unter Berücksichtigung einer evt. Abzinsung.
Rz. 24
Die Ermittlung des Jahreswerts des Nießbrauchs erfolgt nach § 15 Abs. 3 BewG:
Zitat
"Bei Nutzungen oder Leistungen, die in ihrem Betrag ungewiss sind oder schwanken, ist als Jahreswert der Betrag zugrunde zu legen, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird."
Rz. 25
Die Finanzverwaltung nimmt i.d.R. für die Ermittlung der Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) einen Durchschnittswert aus zwei bis drei Jahren zur Zeit der Schenkung an.
Rz. 26
Das LG Bonn hat in einem Urt. v. 17.3.1998 die Kapitalisierungsmethode nach der Sterbetafel angewandt.
Rz. 27
Das OLG Frankfurt hat sich mit der Bewertung eines Wohnungsrechts und der Abgrenzung eines Vertrags, durch den ein Erblasser sein Eigentum an einem Hausgrundstück gegen Rentenzahlungen und Einräumung eines Wohnungsrechts überträgt, von einem Schenkungsvertrag befasst.
Ein Hausgrundstück wurde übertragen gegen eine Rentenzahlungsverpflichtung und Einräumung eines Wohnungsrechts.
Das OLG Frankfurt hat bei der Kapitalisierung der Gegenleistungen eine ex-ante-Betrachtung angestellt und bewertet auf der Grundlage der Lebenserwartung nach der Sterbetafel.
Zitat
"Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt des Rechtsgeschäfts – spätestens die Eigentumsumschreibung."
Bei monatlichen Rentenbeträgen von 400 DM wurde die Rente kapitalisiert:
400 DM x 12 Monate x 8,86 Kap.fakt. = 42.528 DM.
Das Wohnungsrecht wurde bewertet bei einem Mietwert von 7,35 DM/qm mit:
7,35 DM x 82 qm x 12 Monate x 8,86 = 64.079,06 DM.
Rz. 28
Das OLG Celle hat im Grundsatz das Wohnungsrecht nach § 14 BewG ex ante bewertet, aber dennoch einen Vorbehalt bei kurzer Lebensdauer des Schenkers gemacht:
Zitat
1. Bei der Bewertung einer Grundstücksschenkung mit Wohnrechtsvorbehalt gem. § 2325 Abs. 2 S. 2 BGB ist der Jahresnutzwert des Wohnrechts als künftig wiederkehrende Gegenleistung auf den Zeitpunkt der Übertragung mit dem sich aus Anlage 9 zu § 14 BewG in der bei Vertragsschluss maßgeblichen Fassung zu kapitalisieren.
2. Wegen des einer Grundstücksübertragung gegen Einräumung eines Wohnrechts innewohnenden Risikos der künftigen Entwicklung bleibt der spätere tatsächliche Verkauf zwischen Vertragsschluss und Erbfall unberücksichtigt (abw. OLG Oldenburg NJW-RR 1999, 734). Ein angemessener Abschlag von dem sich aus Anlage 9 zu § 14 BewG ergebenden Kapitalisierungsfaktor ist ausnahmsweise dann vorzunehmen, wenn bereits bei Vertragsschluss mit dem baldigen Ableben des Erblassers gerechnet werden musste, dieser Umstand beiden Vertragsschließenden bekannt war, und der Erblasser auch tatsächlich kurze Zeit nach Vertragsschluss verstorben ist.“
Rz. 29
Der BGH ist in anderem Zusammenhang, nämlich bei der Bewertung eines vor der Wiedervereinigung Deutschlands verschenkten Grundstücks, hinsichtlich des Grundstückswerts von einer ex-ante-Betrachtung ausgegangen:
Zitat
… Für die Frage, ob das Grundstück, das die Erblasserin der Beklagten übertragen hat, als eine zumindest gemischte Schenkung zum fiktiven, der Pflichtteilsergänzung unterliegenden Nachlass gehört, kommt es auf die Wertverhältnisse beim Vollzug des Vertrags an (…). Hierzu hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die am 28.3.1985 vor dem Staatlichen Notariat beurkundete Übertragung des Grundstücks am 6.8.1985 durch Eintragung im Grundbuch vollzogen worden sei. …
Danach kommt es für das Vorliegen einer Schenkung auf die Wertverhältnisse im Jahre 1985 an. … Lag damals ein entgeltliches Geschäft vor, kann daraus durch die Wertsteigerung des Grundstücks nach der deutschen Einigung kein auch nur teilweise unentgeltliches Geschäft geworden sein. …
Um dagegen eine ergänzungspflichtige Schenkung im Sinne von §§ 2325 ff. BGB annehmen zu können, bedarf es zunächst objektiv einer Bereicherung des einen Vertragspartners (zu übernommenen Lasten und Gegenleistungen vgl. BGHZ 107, 156, 159 ff.; BGH, Urt. v. 19.1.1999 – X ZR 42/97 – NJW 1999, 1626 unter I 2b). Dabei sind sowohl das Grundstück als auch das Wohn-, Mitbenutzungs- und Pflegerecht der Erblasserin nach den Verhält...