1. Grundsatz
Rz. 123
Mit seinem Urt. v. 27.11.1991 hat der BGH erstmals entschieden, unbenannte Zuwendungen seien im Rahmen von § 2287 BGB wie Schenkungen zu behandeln, sofern nicht ausnahmsweise andere Rechtsinstitute, wie bspw. Unterhaltsrecht oder Altersvorsorge, in Betracht kämen.
2. Fall
Rz. 124
Erblasser E ist am 16.2.1988 gestorben. Er war zweimal verheiratet und hinterlässt den Sohn S aus erster Ehe und die Witwe W, mit der er in zweiter Ehe seit 29.12.1966 verheiratet war. In dieser Ehe bestand der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Aufgrund Erbvertrags des E mit seiner ersten Ehefrau vom 27.12.1965 wurde der Sohn S Alleinerbe des E.
Der Erblasser E und die Witwe W waren Inhaber eines Kontos bei der C-Bank, auf dem 80.000 US-$ angelegt waren. Im Jahr 1986 lösten sie das Konto auf; von dem Gegenwert erhielten die Ehegatten je 72.000 DM. Außerdem unterhielten sie bei einer österreichischen Bank ein gemeinschaftliches Sparkonto, das im April/Mai 1987 aufgelöst wurde und von dem die Witwe W 50.000 DM erhielt. Der Erblasser war Eigentümer eines Hausgrundstücks, an dem er mit notariellem Vertrag vom 14.2.1975 zugunsten der W einen lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch bestellte. Gleichzeitig schenkte er ihr das gesamte Mobiliar, das sich in diesem Haus befand.
Der Sohn S begehrt als Kläger von der Witwe W als Beklagter die Zahlung von 152.000 DM, die Aufhebung und Löschung des Nießbrauchs sowie Räumung und Herausgabe des mit dem Nießbrauch belasteten Hausgrundstücks. Er macht im Rechtsstreit geltend, sein Vater (E) habe der Beklagten (W) die bezeichneten Beträge von 72.000 DM und 50.000 DM sowie weitere 30.000 DM aus einem Wertpapierdepot bei der C-Bank und den Nießbrauch an dem Hausgrundstück in der Absicht geschenkt, ihn, den Kläger, zu benachteiligen. In dem Depot hätten sich fest verzinsliche Wertpapiere befunden, zu deren Anschaffung die Beklagte (W) nichts beigetragen habe.
Rz. 125
Der BGH hat der Klage des Sohnes S mit folgender Begründung stattgegeben: Anspruchsgrundlage ist § 2287 BGB. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine Schutzvorschrift für den Vertragserben, sie bietet Schutz nicht nur vor den dort ausdrücklich genannten Schenkungen, sondern auch vor sog. unbenannten (auch "ehebedingten" oder "ehebezogenen") Zuwendungen unter Ehegatten. Dieselbe Schutzfunktion haben die §§ 2113, 2205, 2325 und 2288 BGB.
Rz. 126
Der BGH versteht nach dem derzeitigen Stand seiner Rechtsprechung Zuwendungen unter Ehegatten in der Regel nicht als Schenkungen, sondern als unbenannte Zuwendungen. Für eine Schenkung fehle es regelmäßig an der Einigkeit der Ehepartner darüber, dass die Zuwendung unentgeltlich sein soll. Sie diene zumeist der ehelichen Lebensgemeinschaft. Einer derartigen Zuwendung liege die Vorstellung oder auch die Erwartung zugrunde, dass die eheliche Lebensgemeinschaft Bestand haben werde. Sie erfolge "um der Ehe willen und als Beitrag zur Verwirklichung und Ausgestaltung, Erhaltung oder Sicherung der ehelichen Lebensgemeinschaft und habe darin ihre Geschäftsgrundlage". Die ehebedingte Zuwendung wird als ein "ehebezogenes Rechtsgeschäft eigener Art" gedacht, das als ein nicht normiertes familienrechtliches Rechtsgeschäft qualifiziert wird und einen entsprechenden Rechtsgrund (Behaltensgrund) für die Zuwendung liefert. Die unbenannte Zuwendung hat sich inzwischen zu einer eigenen Rechtsfigur verselbstständigt, mit deren Hilfe Streitigkeiten entschieden werden, in denen es um die Rückabwicklung von Vermögensverschiebungen unter Ehegatten geht, nachdem ihre Ehe gescheitert ist. Die unbenannte Zuwendung ist in der Regel objektiv unentgeltlich und im Erbrecht (in den Fällen der §§ 2287, 2288, 2325 BGB) grundsätzlich wie eine Schenkung zu behandeln.
Rz. 127
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung und Rechtslehre ist der Erwerb eines zugewendeten Gegenstands, auf den kein Rechtsanspruch besteht, unentgeltlich, wenn er nicht rechtlich abhängig ist von einer ausgleichenden Gegenleistung des Erwerbers. Entsprechende Gegenleistungen des Empfängers einer unbenannten Zuwendung liegen indessen bei einer unbenannten Zuwendung in der Ehe im Regelfall nicht vor. Die Ehe als solche gibt im Allgemeinen keinen Anspruch auf derartige Vermögensverschiebungen. Das gilt sowohl für den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, bei dem ein Ausgleich nur für den Fall der Beendigung des Güterstandes vorgesehen ist, als auch für die Fälle der vertraglichen Güterstände (Gütertrennung und Gütergemeinschaft).
Rz. 128
Auch die Haushaltstätigkeit eines Ehegatten ist keine Gegenleistung für unbenannte Zuwendungen. Bei der Haushaltsführung durch den Ehegatten, der keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, handelt es sich um den dem anderen Ehegatten geschuldeten Beitrag zum Familienunterhalt (§§ 1360 S. 1, 1606 Abs. 3 S. 2 BGB). Leistungen im Haushalt, die über das gebotene Maß hinausgehen, sind im Zweifel gem. § 1360b BGB nicht zu vergüten. In der Rechtsprechung des BGH ...