Dr. Michael Thielemann, Dr. iur. Alexander Walter
1. Ausgangslage
Rz. 23
Gem. § 589 Abs. 1 ZPO prüft das zuständige Gericht von Amts wegen, ob die Klage an sich statthaft ist und in der gesetzlichen Form und Frist erhoben wurde. Hierüber kann das Wiederaufnahmegericht durch Zwischenurteil gem. § 280 ZPO oder in den Gründen des Endurteils entscheiden. Um eine Verwerfung der Wiederaufnahmeklage zu vermeiden, muss der Wiederaufnahmekläger zusätzlich zu den allgemeinen Prozessvoraussetzungen im Wiederaufnahmeverfahren einige besondere Prozessvoraussetzungen beachten.
2. Die Statthaftigkeit der Wiederaufnahme
Rz. 24
Gem. § 578 ZPO findet die Wiederaufnahme gegen rechtskräftige Endurteile beliebiger Art und beliebigen Inhalts statt. Es ist unerheblich, in welcher Instanz das Urteil ergangen ist; erforderlich ist nur seine äußere Rechtskraft. Auch hängt die Statthaftigkeit der Nichtigkeitsklage allein von der Rechtskraft der Ausgangsentscheidung ab; es wird nicht danach unterschieden, auf welche Weise die Rechtskraft (Rücknahme, Verwerfung oder Zurückweisung des Rechtsmittels/Rechtsbehelfs bzw. Verzicht hierauf) eingetreten ist.
Rz. 25
Beispiele
Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist somit auch statthaft gegen:
Rz. 26
Da § 583 ZPO die Wiederaufnahmegründe dahingehend erweitert, dass auch Wiederaufnahmegründe geltend gemacht werden können, durch die eine dem angefochtenen Urteil vorausgegangene Entscheidung betroffen ist, ist die Wiederaufnahmeklage gegen Vorentscheidungen unstatthaft.
Rz. 27
Beispiele
Die Wiederaufnahmeklage ist unstatthaft gegen:
Rz. 28
"Urteilsvertretende" Beschlüsse, die außerhalb des Urteilsverfahrens ergehen und rechtskräftig oder unanfechtbar sind, können ebenfalls mit der Wiederaufnahmeklage angegriffen werden.
Rz. 29
Beispiele
Die Wiederaufnahmeklage ist auch statthaft gegen:
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die Berufung als unzulässig verwerfende Beschlüsse gem. § 522 Abs. 1 S. 3 ZPO, |
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die Berufung zurückweisende Beschlüsse gem. § 522 Abs. 2 S. 3 ZPO, |
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die Revision als unzulässig verwerfende Beschlüsse gem. § 552 Abs. 2 ZPO, |
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Beschlüsse betreffend den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich, |
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Beschlüsse in Zwangsvollstreckungs- und Zwangsversteigerungsverfahren, |
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Beschlüsse in FGG/FamFG-Streitsachen und |
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WEG-Beschlüsse. |
Unstatthaft ist die Wiederaufnahme gegen die Kostenentscheidung analog § 99 Abs. 1 ZPO, gegen Prozesskostenhilfe versagende Beschlüsse und gegen Prozessvergleiche.
3. Notwendige Form der Wiederaufnahmeklageschrift
Rz. 30
Gem. § 587 ZPO muss die Klage das Urteil benennen, gegen das die Wiederaufnahmeklage gerichtet wird, und die Erklärung enthalten, welche Klageart erhoben wird. Danach sind notwendige Klagebestandteile:
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die Urteilsbezeichnung, |
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die Erklärung, ob Nichtigkeitsklage oder Restitutionsklage erhoben wird, wobei es auf den Gebrauch der Worte nicht ankommt, weil sich die Natur der Klage auch aus dem Inhalt der Klageschrift ergeben kann, |
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die Einlegung der Klage durch einen beim Gericht zur Klageerhebung zugelassenen Rechtsanwalt, |
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die eindeutige Partei- und Gerichtsbezeichnung und |
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spezifizierter Tatsachenvortrag. |
Rz. 31
Hinweis
Gem. § 588 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist die Bezeichnung des Anfechtungsgrundes – scheinbar – keine zwingende Zulässigkeitsvoraussetzung; dies täuscht aber: Die Bestimmung meint nur, dass bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung weitere Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden können, aus denen sich der Anfechtungsgrund ergeben soll. Der Wiederaufnahmekläger muss aber bereits zur Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einen Tatsachenvortrag unterbreiten, aus welchem
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bei Erhebung der Nichtigkeitsklage hervorgeht, dass einer der in § 579 Abs. 1 ZPO genannten Gründe gegeben ist, |
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bei Erhebung der Restitutionsklage hervorgeht, dass einer der in § 580 ZPO genannten Restitutionsgründe vorliegt,
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in den Fällen von § 580 Nr. 1 bis 5 ZPO hervorgeht, dass ein rechtskräftig verurteilendes Strafurteil vorliegt, |
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bei Erhebung der Restitutionsklage nach § 580 Nr. 8 ZPO hervorgeht, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht und |
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schließlich hervorgeht, dass der Restitutionsgrund gem. § 582 ZPO bzw. der Nichtigkeitsgrund gem. § 579 Abs. 2 ZPO nicht früher hätte geltend gemacht werden können; eine Ausnahme gilt nur für § 579 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 4 ZPO. |