aa) Formale Hürden für den Widerspruch
Rz. 192
Der vom Gesetz zur Verfügung gestellte Widerspruch nach § 899 BGB, der gegen die Richtigkeit eines falschen Grundbucheintrags "protestiert", kann im Grundbuch nur eingetragen werden, wenn entweder der Buchberechtigte die Eintragung bewilligt oder wenn eine einstweilige Verfügung ergangen ist, § 899 Abs. 2 BGB. Da wirksame Rechtssicherung bei dinglichen Grundstücksrechten an einen – wie auch immer gearteten – Grundbucheintrag geknüpft ist, hat die Rechtsprechung das Institut des Rechtshängigkeitsvermerks – also einen Grundbucheintrag – entwickelt, um die vorläufige Sicherung eines dinglich Berechtigten – in der Praxis fast immer des Eigentümers – zu erzielen.
Nach Ansicht des BGH genüge der bloße Nachweis der Rechtshängigkeit nicht, erforderlich sei vielmehr eine einstweilige Verfügung, deren Erlass eine Glaubhaftmachung des Hauptsacheanspruchs erfordere. Begründet wird dies mit der vergleichbaren Wirkung des Rechtshängigkeitsvermerks mit der Wirkung eines Widerspruchs oder einer Vormerkung. Daher könne der Rechtshängigkeitsvermerk keinen geringeren Eintragungsanforderungen unterliegen.
bb) Vorteile des Widerspruchs
Rz. 193
Allerdings kann der Widerspruch trotzdem Vorzüge gegenüber dem Rechtshängigkeitsvermerk haben: Der Rechtshängigkeitsvermerk setzt die Zustellung einer Klage voraus, deren Streitgegenstand ein dingliches Recht an dem Grundstück ist. Mit der Zustellung der Klage erfährt der Anspruchsgegner und Beklagte zwingend von dem Rechtsstreit: Er könnte u.U. noch schnell an einen gutgläubigen Erwerber rechtlich wirksam veräußern.
Rz. 194
Dagegen kann eine einstweilige Verfügung, deren Ziel die Eintragung eines Widerspruchs im Grundbuch ist, ohne mündliche Verhandlung und u.U. ohne vorherige Mitteilung an den Antragsgegner ergehen. In einem solchen Falle erfährt der Antragsgegner erst nach Eintragung des Widerspruchs von der Sache. Diese taktischen Überlegungen muss der Rechtsberater vorher anstellen.
cc) Erfordernis der "doppelten Gutgläubigkeit" des Erwerbers
(1) "Doppelte Gutgläubigkeit" des Erwerbers
Rz. 195
Um alle Erfordernisse eines gutgläubigen Erwerbs zu erfüllen, muss der Erwerber des streitbefangenen Grundstücks, wenn er tatsächlich vom Nichtberechtigten erwirbt, in zweierlei Hinsicht gutgläubig sein:
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Zum einen gelingt der gutgläubige Erwerb nur, wenn der Erwerber entsprechend den materiellrechtlichen Voraussetzungen des § 892 BGB bezüglich der Eigentümerposition des Veräußerers gutgläubig ist. |
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Zum anderen muss der Erwerber – wie sich aus § 325 Abs. 2 ZPO ergibt – zusätzlich auch bezüglich einer vermeintlich nicht vorhandenen Rechtshängigkeit des Eigentumsrechts gutgläubig sein. |
Damit erhöht § 325 Abs. 2 ZPO die Hürde für einen gutgläubigen Erwerb einer streitbefangenen Sache.
(2) Entsprechende Anwendung der Gutglaubensvorschriften auf die Rechtshängigkeit
Rz. 196
Da § 325 Abs. 2 ZPO auf die Gutglaubensvorschriften des BGB verweist, kann gutgläubiger Erwerb nur stattfinden, wenn auch das materielle Recht diese Möglichkeit kennt. Dies ist beim Grundstückseigentum unproblematisch, da § 892 BGB die Voraussetzungen eines gutgläubigen Erwerbs regelt.
Rz. 197
§ 325 Abs. 2 ZPO regelt nur den Erwerb vom Nichtberechtigten für den Fall, dass das Urteil dem nichtberechtigten Rechtsvorgänger das Eigentumsrecht aberkennt. Der Erwerber soll geschützt werden, wenn er von dem Rechtsstreit nichts wusste. Mit der Verweisung auf die materiellrechtlichen Gutglaubensvorschriften wird auch klargestellt, dass nur die positive Kenntnis von der Rechtshängigkeit schadet, nicht auch die grob fahrlässige Unkenntnis. Dabei ist aber der Grundsatz des Grundbuchrechts von Bedeutung, wonach jeder Eintrag Rechtswirkungen erzeugt, gleichgültig, ob Beteiligte davon Kenntnis haben oder nicht.
(3) Zerstörung des guten Glaubens eines potenziellen Erwerbers
Rz. 198
War der Erwerber im Hinblick auf die materiellrechtliche Eigentümerposition bösgläubig, aber gutgläubig im Hinblick auf die Rechtshängigkeit, so kann der materiellrechtliche Erwerb nicht eintreten. Seine teilweise Gutgläubigkeit nützt dem Erwerber also nichts.
Rz. 199
War der Erwerber jedoch bezüglich der materiellrechtlichen Eigentümerposition gutgläubig, aber bezüglich der Rechtshängigkeit bösgläubig, so erstreckt sich die Rechtskraft des die Eigentümerposition aberkennenden Urteils auf ihn und er kann sich nicht auf die Gutgläubigkeit bezüglich des Eigentums berufen.
dd) Rechtscharakter des Rechtshängigkeitsvermerks
Rz. 200
Der Rechtshängigkeitsvermerk ist weder Vormerkung noch Widerspruch, auch wenn ihm eine gewisse berichtigende Eigenschaft insofern zukommt, als er auf die Möglichkeit einer bevorstehenden Änderung des verlautbarten Rechtszustands im Hinblick auf den Ausgang des schwebenden Rechtsstreits hinweist. Die Berichtigung selbst kann erst durch ein der Klage stattgebendes Urteil herbeigeführt werden, sobald dieses Rechtskraft erlangt hat.