I. Verfügungsbeschränkung des Vorerben
Rz. 112
Grundsätzlich ist der Vorerbe bis zum Eintritt des Nacherbfalls berechtigt, über die zum Nachlass gehörenden Grundstücke zu verfügen. Zum Schutz der Rechte der Nacherben ist seine Verfügungsmacht jedoch beschränkt, § 2112 BGB. Eine entgeltliche oder unentgeltliche Verfügung des Vorerben über ein Nachlassgrundstück oder ein Grundstücksrecht, das zum Nachlass gehört, ist im Falle des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde, §§ 2113 und 2114 BGB.
Gehört zu einem Nachlass, für den Vor- und Nacherbschaft angeordnet worden ist, ein Anteil an einer Erbengemeinschaft, zu deren Gesamthandvermögen ein Grundstück zählt, kann der Vorerbe über dieses Grundstück ohne die Beschränkungen des § 2113 BGB verfügen.
Rz. 113
Durch Verfügung von Todes wegen kann der Erblasser dem Vorerben gem. § 2136 BGB Befreiung von den Beschränkungen des § 2113 Abs. 1 BGB für entgeltliche Verfügungen über ein Grundstück erteilen, nicht jedoch auch die Befreiung von dem Verbot unentgeltlicher Verfügungen nach § 2113 Abs. 2 BGB.
Rz. 114
Damit Dritte nicht gutgläubig vom Vorerben auf der Grundlage von Grundstücksverfügungen erwerben können, zu denen der Vorerbe nicht berechtigt ist, sieht das Gesetz die Eintragung eines Nacherbenvermerks im Grundbuch vor, sobald der Vorerbe als Rechtsnachfolger des Erblassers im Grundbuch eingetragen wird, § 51 GBO.
Rz. 115
Neben dem Recht des Nacherben sind von Amts wegen auch die im Erbschein gem. § 352b Abs. 1 FamFG, im Europäischen Nachlasszeugnis gem. Art. 68 Buchst. n EuErbVO oder in der beglaubigten Abschrift einer notariellen Verfügung von Todes angegebenen Befreiungen des Vorerben von den Beschränkungen seiner Verfügungsmacht gem. § 2136 BGB im Grundbuch einzutragen.
Rz. 116
Im Eintragungsvermerk sind die Anordnung der Nacherbfolge sowie die Voraussetzungen, unter denen sie eintritt (z.B. Tod des Vorerben oder Wiederverheiratung des Vorerben), anzugeben. Außerdem sind die Nacherben einschließlich der Ersatznacherben mit einzutragen. Ist der Nacherbe bzw. der Ersatznacherbe in einer notariell beurkundeten Verfügung von Todes wegen nicht zweifelsfrei bezeichnet, so kann das Grundbuchamt die Vorlage eines Erbscheins oder eines Europäischen Nachlasszeugnisses verlangen.
Rz. 117
Ist darüber hinaus für den Vorerben ein Testamentsvollstrecker ernannt, so ist auch dieser mit einzutragen, § 52 GBO. Das Gleiche gilt für einen Testamentsvollstrecker für den Nacherben für die Zeit vor Eintritt des Nacherbfalls nach § 2222 BGB.
Rz. 118
Nacherbenvermerke werden in Abt. II des Grundbuchs eingetragen.
II. Verfügungen des Vorerben
Rz. 119
Unentgeltliche Verfügungen des Vorerben über Grundstücke sind im Falle des Eintritts der Nacherbfolge unwirksam, § 2113 Abs. 2 BGB. Bis zu diesem Zeitpunkt sind sie allerdings gem. § 2112 BGB wirksam. Eine teilentgeltliche oder unentgeltliche Verfügung eines Vorerben über ein Grundstück ist demnach nur dann endgültig wirksam, wenn der Nacherbe und etwaige Ersatznacherbe sie bewilligen. Bei teilweise entgeltlicher, teilweise unentgeltlicher Verfügung des Vorerben ist die gesamte Verfügung unwirksam.
Rz. 120
Praxishinweis
In der Praxis sind die Vorerben sehr häufig von den Beschränkungen der entgeltlichen Grundstücksverfügung befreit, § 2136 BGB. Deshalb darf das Grundbuchamt eine Verfügung eines Vorerben nur dann im Grundbuch eintragen, wenn es sich von der (Voll-)Entgeltlichkeit der Verfügung überzeugt hat. Unentgeltlich ist eine Verfügung, wenn der Vorerbe – objektiv betrachtet – ein Vermögensopfer aus dem Nachlass erbringt, ohne dass dieser eine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht und wenn er – subjektive Seite – dies entweder weiß oder bei ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses das Fehlen einer ausreichenden Gegenleistung hätte erkennen müssen.
Rz. 121
Auch unbenannte Zuwendungen zwischen Ehegatten stellen eine unentgeltliche Verfügung i.S.d. § 2113 Abs. 2 BGB dar.
Rz. 122
Eine Verfügung des nicht befreiten Vorerben ist nur dann (voll-)entgeltlich, wenn eine gleichwertige Gegenleistung auch in den Nachlass fließt. Dagegen ist es dem befreiten Vorerben gestattet, den Nachlass für sich zu verwenden, § 2136 BGB. Deshalb kommt es in diesem Fall nicht darauf an, ob die Gegenleistung in den Nachlass gelangt oder ob sie dem Vorerben persönlich zugutekommt.
Rz. 123
Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit einer Verfügung des Vorerben ist der Zeitpunkt ihrer Vornahme.
Rz. 124
Ob eine gemischte Schenkung vorliegt, ist aus der Sicht eines Vorerben bei ordnungsgemäßer Verwaltung der unter Nacherbschaft stehenden Nachlassmasse und unter gebührender Rücksichtnahme auf seine künftige Herausgabepflicht gegenüber dem Nacherben und dessen Interessen zu beurteilen.
Rz. 125
Das OLG Hamm hat folgenden Beispielsfall dazu entschieden:
Der Vorerbe veräußerte ein Grundstück, das zum Nachlass gehörte, für 985.000 DM...