I. Allgemeines
Rz. 131
Kann die Grundbuchberichtigung nicht im Wege eines freiwilligen Grundbuchverfahrens erfolgen, so ist der Inhaber des Grundbuchberichtigungsanspruchs darauf angewiesen, seinen Anspruch nach § 894 BGB gerichtlich durchzusetzen. Damit wird die gem. §§ 22, 19 GBO erforderliche grundbuchrechtliche Eintragungsbewilligung im Rahmen einer Leistungsklage mit Rechtskraft des ergehenden Urteils gem. § 894 ZPO ersetzt.
II. Nichtigkeit einer Grundstücksübertragung des geschäftsunfähigen Erblassers
1. Beispielsfall 1
Rz. 132
Sachverhalt
Im Grundbuch ist der Käufer eines Gebäudegrundstücks als dessen Eigentümer eingetragen. Verkäufer war der Erblasser E, dessen Alleinerbin seine Tochter T geworden ist.
Der Erblasser E hat mit dem jetzt eingetragenen Eigentümer über das Gebäudegrundstück einen notariellen Kaufvertrag geschlossen, aufgrund dessen die Auflassung sofort in derselben Urkunde erklärt und nachfolgend der Käufer im Grundbuch als Eigentümer eingetragen wurde.
Die Alleinerbin des E ist der Meinung, dass der Eigentumsübergang auf den Käufer aus folgendem Grunde nicht wirksam sei:
Ihr Vater sei bei Abschluss des Kaufvertrages nicht mehr geschäftsfähig gewesen. Sie hat sich vom behandelnden Hausarzt ein Attest geben lassen, in dem dieser bescheinigt, dass E in den letzten sieben Lebensjahren an Schilddrüsenkrebs, Halswirbelsäulenkrebs (Knochenkrebs) und später auch an seniler Demenz mit zunehmender Progression gelitten habe und wahrscheinlich seit ca. drei Monaten vor Abschluss des Kaufvertrages nicht mehr geschäftsfähig gewesen sei. Der Vater ist im Alter von 84 Jahren gestorben.
Der Käufer sei ein Spekulant. Man müsse damit rechnen, dass er das Grundstück zeitnah mit hohem Gewinn weiter veräußere.
Die von der Alleinerbin geltend gemachte Geschäftsunfähigkeit des Erblassers könnte die Nichtigkeit der Eigentumsübertragung von E auf den Käufer begründen (§§ 104 Nr. 2, 105 Abs. 2 BGB). Die zwischen E und dem Käufer erklärte Auflassung wäre nichtig.
Dann wäre Erblasser E Eigentümer geblieben. Diese Rechtsposition wäre als Vermögensrecht gem. § 1922 BGB auf seine Alleinerbin übergegangen. Die vom Arzt attestierten Krankheiten, vor allem die senile Demenz, könnten im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages (und der Auflassung) einen solchen Grad erreicht gehabt haben, dass Geschäftsunfähigkeit angenommen werden könnte.
a) Beweislast
Rz. 133
Zur Frage, was zur Geschäftsunfähigkeit im Prozess vorzutragen ist, und zur Beweislast kann auf die Ausführungen in § 7 Rdn 40 und § 24 Rdn 121 ff. verwiesen werden.
b) Erfolgsaussicht einer Klage im Beispielsfall 1
Rz. 134
Kann die Geschäftsunfähigkeit des E im Zeitpunkt der Beurkundung der Auflassung bewiesen werden, so stünde die Unrichtigkeit des Grundbuchs fest: Nicht der Käufer, sondern die Alleinerbin des E wäre nach wie vor Eigentümerin des Gebäudegrundstücks. Sie hätte dann gegen den Käufer einen Anspruch auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB), die gleichzeitig die nach §§ 19, 22 GBO erforderliche grundbuchrechtliche Bewilligung beinhaltet.
Rz. 135
Eine entsprechende Klage wäre auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet und damit eine Leistungsklage, die mit den Folgen des § 894 ZPO ausgestattet ist (Ersetzung der Zustimmung mit Rechtskraft des Urteils).
Rz. 136
Falls sich der Käufer weigert, das Gebäudegrundstück herauszugeben, wäre die Klage außer auf Abgabe der Berichtigungsbewilligung auch auf Herausgabe nach § 985 BGB zu richten. Damit läge eine objektive Klagehäufung nach § 260 ZPO vor. Auch insoweit würde es sich um eine Leistungsklage handeln.
c) Beweisprobleme
aa) Schweigepflicht des Notars
Rz. 137
Der Notar unterliegt gem. § 18 Abs. 1 S. 1 BNotO der Verschwiegenheit. Davon kann nur der Urkundsbeteiligte selbst entbinden, im Falle seines Todes die Aufsichtsbehörde, § 18 Abs. 1 S. 2 BNotO. Da E nicht mehr lebt, hätte die Aufsichtsbehörde (der Präsident des Landgerichts, in dessen Bezirk der Notar seinen Amtssitz hat) den Notar von seiner Verschwiegenheitspflicht zu entbinden.
bb) Schweigepflicht des Arztes
Rz. 138
Der Arzt hat gem. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ein Zeugnisverweigerungsrecht, es sei denn, er ist von der Schweigepflicht entbunden, § 385 Abs. 2 ZPO. Die Umstände betreffend die Geschäftsfähigkeit gehören zur ärztlichen Schweigepflicht und sind dem Arzt auch im weit zu fassenden Sinne "anvertraut" i.S.v. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Die ärztliche Schweigepflicht endet nicht mit dem Tode des Patienten (§ 203 Abs. 4 StGB), erforderlich ist die Entbindung von der Schweigepflicht, und zwar durch den Erblasser persönlich. Maßgebend ist primär eine positive Willensäußerung des Erblassers in Bezug auf die Entbindung von der Schweigepflicht zu seinen Lebzeiten gegenüber dem Arzt oder Dritten, ausdrücklich oder konkludent, in zweiter Linie – also wenn sich eine solche positive Äußerung nicht feststellen lässt –, der mutmaßliche Wille des Patienten, ob er die Offenlegung durch den Arzt mutmaßlich gebilligt oder missbilligt haben würde.
Rz. 139
Ein solcher mutmaßlicher Wille dürfte i.d.R. anzunehmen sein, weil der Erblasser ein Interesse daran gehabt haben dürfte, Zweifel über seine Geschäftsfähigkeit aufklären zu lassen. Damit besitzt der Arzt wegen mutmaßlicher Befreiung von seiner Schweigepflic...