1. Materiellrechtliche Situation
a) Bewilligungsgrundsatz des materiellen und des formellen Rechts
Rz. 149
Das materielle Recht stellt in § 894 BGB auf die grundbuchrechtlichen Erfordernisse ab. Nach dem grundbuchrechtlichen Bewilligungsgrundsatz muss der durch die Berichtigung in seiner Rechtsstellung Betroffene – und sei dies nur eine "Buchrechtsstellung" – die Berichtigung bewilligen, §§ 19, 22 GBO. In den obigen Beispielsfällen müsste also der jeweils im Grundbuch eingetragene (Nicht-)Eigentümer die Eintragung des wahren Eigentümers zu bewilligen. Dieses Bewilligungserfordernis hat § 894 BGB im Blick, wenn es dem wahren Berechtigten einen Anspruch gegen den Nichtberechtigten auf "Zustimmung zu der Berichtigung des Grundbuchs" gewährt. Der Gegner des materiellrechtlichen Anspruchs ergibt sich somit aus dem formalen Grundbuchrecht.
Hinweis
Die "Zustimmung zu der Berichtigung des Grundbuchs" ist also gleichzusetzen mit der grundbuchrechtlichen Bewilligung i.S.v. §§ 19, 22 GBO.
Rz. 150
Die Grundbuchunrichtigkeit hat aber noch einen anderen Aspekt: Sie stellt eine Eigentumsbeeinträchtigung nach § 1004 BGB für den wahren Eigentümer dar. Die nachfolgenden Ausführungen behandeln aus Gründen der Vereinfachung als Anspruchsgrundlage nur die Regelung des § 894 BGB.
b) Nachweis der Unrichtigkeit
Rz. 151
Eine Grundbuchberichtigung kann nicht nur auf der Grundlage der Bewilligung des "Buchberechtigten" herbeigeführt werden, nach § 22 GBO kann dies auch durch Nachweis der Unrichtigkeit geschehen. Das Beweisrecht des Grundbuchverfahrens ist jedoch in § 29 GBO streng formalisiert: Tatsachen und Willenserklärungen können nur in der Form von öffentlich beglaubigten oder öffentlichen Urkunden bewiesen werden. Dieser Grundsatz des § 29 GBO stellt eine hohe Hürde auf: Alle materiellrechtlichen Tatbestandsmerkmale einer Grundbuchunrichtigkeit einschließlich der eingetretenen Rechtsfolgen sind mittels öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunden nachzuweisen. Sowohl Zeugenvernehmung als auch die Einholung von Sachverständigengutachten durch das Grundbuchamt scheiden grundsätzlich aus.
Es bedarf keiner weiteren Ausführung, dass in keinem der obigen zwei Beispielsfälle die Tatbestandsvoraussetzungen einer aufgrund Testierunfähigkeit/Geschäftsunfähigkeit bzw. Testamentswiderrufs eingetretenen Grundbuchunrichtigkeit mit öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunden nachgewiesen werden können.
2. Prozessuale Durchsetzung
a) Erzwingung der Zustimmung
Rz. 152
Wird die Zustimmung zur Grundbuchberichtigung (= grundbuchrechtliche Bewilligung nach §§ 19, 22 GBO; siehe Rdn 1) vom Nichtberechtigten nicht freiwillig erklärt, so muss sie erzwungen werden. Also ist der Nichtberechtigte auf Abgabe der Bewilligung zu verklagen mit dem Ziel der Ersetzung der Bewilligungserklärung mit Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils gem. § 894 ZPO.
Rz. 153
Soweit es um Fragen der Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen oder überhaupt um die Erbfolge geht, kommt zur Vorbereitung der Grundbuchberichtigung auf grundbuchverfahrensrechtlichem Weg und zur Erlangung eines Unrichtigkeitsnachweises (§ 22 GBO) auch das Erbscheinsverfahren in Betracht, § 35 GBO. (Zum Erbscheinsverfahren als verfahrensrechtliche Alternative zum Grundbuchberichtigungsanspruch siehe die Ausführungen in Rdn 167 ff.)
b) Verteidigung des Nichtberechtigten
aa) Bestreiten
Rz. 154
Der "Bucheigentümer" kann im Prozess geltend machen, die Tatbestandsvoraussetzungen des Grundbuchberichtigungsanspruchs lägen nicht vor. Da die Vermutung des § 891 BGB für ihn spricht, hat der Kläger für seine Tatsachenbehauptungen die Darlegungs- und Beweislast.
Der Beweis ist erst erbracht, wenn beim Tatsachenrichter eine entsprechende Überzeugung gem. § 286 ZPO herbeigeführt ist.
Ein solcher Vollbeweis zur Widerlegung der Vermutung des § 891 BGB dürfte in beiden obigen Beispielsfällen erst nach umfangreichen Beweisaufnahmen mit Zeugen- und Sachverständigenvernehmungen geführt werden können. Entsprechend lange wird der Prozess, möglicherweise durch zwei Instanzen, dauern.
bb) Geltendmachung von Gegenrechten
Rz. 155
Der Nichtberechtigte kann auch geltend machen, er sei für den Fall, dass der Grundbuchberichtigungsanspruch doch bestehe, schuldrechtlich nicht verpflichtet, zum jetzigen Zeitpunkt der Grundbuchberichtigung zuzustimmen, weil ihm ein Zurückbehaltungsrecht wegen erheblicher Verwendungen auf das Grundstück zustehe. Der BGH wendet die Vorschriften der §§ 987 ff. BGB auf die Rechtsstellung des Buchberechtigten u.a. wegen der getätigten Verwendungen entsprechend an.
In einem solchen Fall verzögert sich der Prozess, selbst wenn der Beweis der Grundbuchunrichtigkeit geführt worden sein sollte, wegen der Gegenrechte des Beklagten erfahrungsgemäß erheblich.
Hier wird deutlich, dass in derart gelagerten Fällen wie in den zwei genannten Beispielen die Frage des vorläufigen Rechtsschutzes sich sehr bald stellt (hierzu verweisen wir auf Rdn 170 ff.).
cc) Kosten der Grundbuchberichtigung
Rz. 156
Die Kosten der Grundbuchberichtigung sind von demjenigen zu tragen, der die Berichtigung verlangt, § 8...