Rz. 54

Nichteheliche Abkömmlinge sind erbrechtlich den ehelichen Nachkommen gleichgestellt. Im Testament des Grafen Koks heißt es zur Erbfolge: "Erben meines Vermögens sollen meine Kinder nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge werden." Folglich besteht die Erbengemeinschaft nicht nur, wie ursprünglich angenommen, aus den ehelichen Kindern Max und Moritz, sondern gemeinsam mit dem nichtehelichen Kind Emil Steiner. Am Nachlass sind sie zu gleichen Teilen beteiligt, also mit je ⅓, und zwar vom Zeitpunkt des Todes des Grafen Koks an.

 

Rz. 55

Erbengemeinschaften zwischen ehelichen und nichtehelichen Abkömmlingen oder sonstigen "Patchwork-Verhältnissen" sind psychologisch in besonderem Maße streitbelastet. Die "legitimen" Kinder neigen dazu, das nichteheliche Kind als Eindringling in ihre Familien- und Vermögenssphäre zu empfinden. Umgekehrt reagiert das nichteheliche Kind als Ausgegrenzter. Dieses Streitpotential hat immer auch Auswirkung auf die Testamentsvollstreckung. Zum einen wird es bei einer zerstrittenen Erbengemeinschaft nicht einfacher, eine befriedigende Erbauseinandersetzung herbeizuführen. Zum anderen könnten die ehelichen Erben, ggf. aber auch der nichteheliche Erbe versucht sein, das Testament wegen des Übergehens eines Pflichtteilsberechtigten (§ 2079 BGB) oder wegen Irrtums des Erblassers bei der Testierung (§ 2078 BGB) anzufechten. Führt eine solche Anfechtung zur Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung, so kann davon auch die Anordnung der Testamentsvollstreckung betroffen sein mit der Folge, dass die Testamentsvollstreckung wegfällt und die bisherige Testamentsvollstreckung nach den Grundsätzen der vermeintlichen Testamentsvollstreckung zu beurteilen ist.

 

Rz. 56

Im vorliegenden Fall ist der testamentarischen Verfügung des Grafen Koks nicht zu entnehmen, dass er seinen unehelichen Abkömmling anders behandelt wissen wollte als seine ehelichen Kinder. Das Auftreten des Emil Steiner erschwert daher zwar die Aufgaben des Testamentsvollstreckers, hat aber keine Auswirkungen auf die Anordnung der Testamentsvollstreckung als solche.

 

Rz. 57

 

Handlungsempfehlung für den Testamentsvollstrecker

Die Verwaltungsvereinbarung wurde bislang lediglich zwischen dem Testamentsvollstrecker und den Erben Max und Moritz Graf von Koks abgeschlossen. Es ist daher dringend anzuraten, in die Vereinbarung nunmehr auch Emil Steiner einzubeziehen und die Vereinbarung ggf. insgesamt den sich geänderten Verhältnissen anzupassen. Zusätzliche Vermögenswerte stellen sich heraus.

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