Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
1. Ausgangslage
Rz. 63
Eines Tages erhält der Testamentsvollstrecker Post von einem Steuerberater. Es handelt sich um einen Bescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung einer Immobilien-GbR, an der Graf Koks sich wenige Jahre vor seinem Tod beteiligt hatte, ohne seinen Kundenberater hiervon zu informieren. Der Testamentsvollstrecker stellt fest, dass Graf Koks sich zusammen mit seinem Steuerberater und seinem Arzt an einem Mehrfamilienhaus in Mecklenburg-Vorpommern beteiligt hatte.
Rz. 64
Das Problem in dieser Fallkonstellation liegt bereits im Vorfeld: Es ist nicht gelungen, den Erblasser dafür zu sensibilisieren, dass jede finanztechnische Entscheidung ihre spezifischen Auswirkungen auf seine Vermögensnachfolge hat. Gerade gesellschaftsrechtliche Beteiligungen erfordern eine präzise Abstimmung zwischen der gesellschaftsrechtlichen und der erbrechtlichen Ebene der Vermögensnachfolge. Die Fallkonstellationen sind dabei sehr unterschiedlich. Das vorgestellte Fallbeispiel bildet nur eine von vielen denkbaren Möglichkeiten ab. Selbst innerhalb dieses Fallbeispiels sind wiederum verschiedene Möglichkeiten denkbar.
2. Problematik
a) Es gibt keinen schriftlichen Gesellschaftsvertrag
Rz. 65
Bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts handelt es sich um die Grundform aller Gesellschaften. Der Vertragsschluss kann sogar bei den sog. Gelegenheitsgesellschaften mündlich erfolgen.
Fehlt es an abweichenden Vereinbarungen, so führt der Tod eines Gesellschafters einer GbR zur Auflösung der Gesellschaft, § 727 Abs. 1 BGB. Der Erbe des verstorbenen Gesellschafters bzw. der für ihn handelnde Testamentsvollstrecker hat den übrigen Gesellschaftern den Tod unverzüglich anzuzeigen. Darüber hinaus hat er im Weg der Notgeschäftsführung die bisherigen Aufgaben des Erblassers fortzuführen, bis die übrigen Gesellschafter anderweitige Fürsorge treffen können. Schließlich hat er an der Auseinandersetzung der Gesellschaft nach §§ 730 ff. BGB mitzuwirken. Der verbleibende Überschuss ist dem Nachlass zuzuführen.
b) Es gibt einen schriftlichen Gesellschaftsvertrag mit Fortsetzungsklausel, aber ohne Nachfolgeklausel
Rz. 66
Diese sogenannte reine Fortsetzungsklausel findet sich häufig in formularmäßig gestalteten Gesellschaftsverträgen. Sie verhindert die Auflösung und Liquidation der GbR bei Tod eines ihrer Mitglieder und regelt, dass die Gesellschaft unter den verbliebenen Gesellschaftern fortgesetzt wird. Tritt der Fortsetzungsfall ein, wächst der Anteil des Verstorbenen am Gesellschaftsvermögen den verbliebenen Gesellschaftern an, § 738 BGB (ggf. i.V.m. §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 BGB). Den Erben steht als Ausgleich für den Verlust des Gesellschaftsanteils ein schuldrechtlicher Abfindungsanspruch zu. Dieser ist durch Erstellung einer Ablichtungsbilanz auf den Todestag zu ermitteln. Dabei ist der Verkehrswert für das lebende Unternehmen einschließlich aller stillen Reserven und des Goodwill maßgeblich. Abweichende Berechnungsmethoden werden häufig im Gesellschaftsvertrag im Interesse des Fortbestandes des Unternehmens vereinbart.
Rz. 67
Für Altverbindlichkeiten der Gesellschaft haften die Erben mit der Nachhaftungsbegrenzung nach § 736 Abs. 2 BGB i.V.m. § 160 HGB. Darüber hinaus haben sie gegen die Gesellschaft und die verbleibenden Gesellschafter nach § 738 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1922 BGB einen Anspruch auf Freistellung von diesen Verbindlichkeiten. Schließlich können sie von den erbrechtlichen Haftungsbeschränkungen der §§ 1975 ff. BGB Gebrauch machen.
c) Es gibt einen schriftlichen Gesellschaftsvertrag mit Nachfolgeklausel
Rz. 68
Diese Form der Nachfolgeklausel findet sich häufig in individuell gestalteten Gesellschaftsverträgen. Zu unterscheiden ist zwischen
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der sog. erbrechtlichen Nachfolgeklausel, |
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der rechtsgeschäftlichen Nachfolgeklausel sowie |
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der gesellschaftsrechtlichen Eintrittsklausel. |
Rz. 69
Durch die erbrechtliche Nachfolgeklausel wird im Gesellschaftsvertrag in Abänderung der Vorschrift des § 727 BGB der Gesellschaftsanteil des versterbenden Gesellschafters erblich gestellt. Der Erbe tritt dann automatisch, also ohne weitere rechtsgeschäftliche Erklärungen, in die bisherige Gesellschafterstellung des verstorbenen Gesellschafters ein.
Bei Vorhandensein einer rechtsgeschäftlichen Nachfolgeklausel geht bei Tod eines Gesellschafters dessen Mitgliedschaft kraft der Regelung im Gesellschaftsvertrag automatisch auf eine benannte Person über, ohne dass diese Erben des Verstorbenen zu sein braucht.
Rz. 70
Die gesellschaftsrechtliche Eintrittsklausel gibt dem Erblasser das Recht, die Person des Eintrittsberechtigten sowohl durch lebzeitige Benennu...