Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
A. Keine Testamentsvollstreckung gleicht der anderen
Rz. 1
Die nachfolgende Fallstudie soll exemplarisch den praktischen Ablauf einer Testamentsvollstreckung verdeutlichen und dabei gleichzeitig auch aufzeigen, dass es sich bei der Testamentsvollstreckung nicht um einen statisch, immer nach festen Regeln ablaufenden Prozess handelt, sondern um einen gleichsam "lebenden Organismus". Keine Testamentsvollstreckung gleicht der anderen.
Auch wenn die Fallstudie Prämissen setzen muss, so z.B. die, dass der Testamentsvollstrecker aus der Berufsgruppe der vermögensverwaltenden Vollstrecker stammt, ist sie doch so gestaltet, dass sich jeder geschäftsmäßige Testamentsvollstrecker in ihr wiederfindet und Nutzen aus ihr ziehen kann. Sie dient daher gleichzeitig auch als anschauliches Kurzrepetitorium dessen, was zuvor dargestellt wurde.
B. Sachverhalt
Rz. 2
Die Spar-Vermögens-Verwaltungs-Bank AG (SVVB) betreut ihren Kunden Maximilian Graf von Koks seit vielen Jahren im Private Banking. Graf Koks, der deutscher Staatsangehöriger ist, hat soeben seine Ehefrau verloren. Mit seinem Generationenberater diskutiert er Überlegungen, was mit seinem Vermögen nach seinem Tod geschehen soll. Dem Berater sind die beiden Söhne Max und Moritz bekannt, die in Australien und in Südafrika wohnen. Das Vermögen von Graf Koks ist übersichtlich strukturiert. Er verfügt über ein Mehrparteienhaus in Wanne-Eickel, ein Wertpapierdepot und ein Festgeldkonto. Seine Söhne weiß er wirtschaftlich gut versorgt. Da sie im Ausland leben, möchte er die Nachlassabwicklung für sie möglichst einfach gestalten. In seinem Generationenberater sieht er hierfür die geeignete Person.
Bei der SVVB wird die Testamentsvollstreckung als Geschäftsfeld angeboten. Der Generationenberater gibt einige grundsätzliche Auskünfte zur Gestaltung einer letztwilligen Verfügung. Graf Koks winkt aber ziemlich schnell ab und besteht darauf, das Testament mit seinem Notar, den er seit über 40 Jahren aus dem Rotary-Club kennt, auszuarbeiten.
Der Notar formuliert ein Testament, das folgenden wesentlichen Inhalt hat:
Zitat
"Erben meines Vermögens sollen meine Kinder nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge werden. Ich ordne Testamentsvollstreckung an. Zum Testamentsvollstrecker bestimme ich die Spar-Vermögens-Verwaltungs-Bank AG."
Das Testament wird beim Nachlassgericht hinterlegt, eine Kopie erhält der Generationenberater.
10 Jahre später verstirbt Graf Koks in einer Seniorenresidenz in Düsseldorf-Meerbusch. Die SVVB erhält vom Nachlassgericht einen Brief mit der Anfrage, ob sie die Testamentsvollstreckung übernehmen möchte.
C. Herangehensweise
I. Vorüberlegungen
Rz. 3
Zu Beginn ist alles relativ einfach. Die Spar-Vermögens-Verwaltungs-Bank AG wird zunächst prüfen, ob sie sachlich und personell in der Lage ist, die ihr angetragene Testamentsvollstreckung zu übernehmen. Die Entscheidung hängt zunächst davon ab, welche Art der Testamentsvollstreckung angeordnet ist und welche Person innerhalb der SVVB für die Durchführung der Testamentsvollstreckung zuständig ist. Im Zweifel wird sie die Testamentsvollstreckung annehmen, wenn es sich um ein Produkt gemeinsam mit dem Erblasser erarbeiteter Vermögensnachfolgeplanung ist.
II. Welche Art der Testamentsvollstreckung liegt vor?
Rz. 4
Die für die vermögensverwaltenden Berufsgruppen wichtigsten Formen der Testamentsvollstreckung stellen die Abwicklungs-/Auseinandersetzungsvollstreckung, die Dauervollstreckung sowie die Verwaltungsvollstreckung dar. Daneben gibt es noch die hier offensichtlich nicht einschlägigen Erscheinungsformen der Vermächtnisvollstreckung (§ 2223 BGB), der Vollstreckung bei Vor- und Nacherbschaft mit ihren verschiedenen Unterformen, der Testamentsvollstreckung mit beschränktem Aufgabenkreis (§ 2208 Abs. 1 BGB), der beaufsichtigenden Testamentsvollstreckung (§ 2208 Abs. 2 BGB) sowie der Testamentsvollstreckung zur Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht (§ 2338 BGB).
Rz. 5
Entsprechend ihrer Stellung als gesetzlichem Regelfall der Testamentsvollstreckung greifen die Regelungen der Abwicklungsvollstreckung nach §§ 2203, 2204 BGB immer dann, wenn der Erblasser zu den Aufgaben des Testamentsvollstreckers keine anderweitigen Bestimmungen getroffen hat und sich auch aus der Auslegung des Testamentes nichts anderes ergibt. Im vorliegenden Fall hat der Erblasser in seinem notariellen Testament nicht mehr geregelt als: "Ich ordne Testamentsvollstreckung an". Folglich handelt es sich um eine Abwicklungsvollstreckung.
Rz. 6
Zur Nachlassabwicklung gehören insbesondere folgende Aufgaben:
▪ |
Ausführung der letztwilligen Anordnungen des Erblassers, insbesondere Erfüllung von Vermächtnissen, Auflagen oder Teilungsanordnungen |
▪ |
Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten |
▪ |
Bewirkung der Erbauseinandersetzung unter den Miterben, sofern der Erblasser die Auseinandersetzung nicht nach § 2044 BGB ausgeschlossen hat. |
Die Auseinandersetzung ist alsbald zu bewirken. Dabei sind vorrangig die vom Erblasser getroffenen Anordnungen zu berücksichtigen, ersatzweise die gesetzlichen Vorschriften, §§ 2204, 2042, ...