Dipl.-Betriebsw. Thomas Markert, Christopher Üink
Rz. 56
In der FBUV handelt es sich um einen gedehnten Versicherungsfall. Dabei darf nicht der zeitraumbezogene Versicherungsfall mit dem gedehnten Versicherungsfall gleichgesetzt werden. Wesensmerkmal eines gedehnten Versicherungsfalls ist nicht sein schrittweises Eintreten, sondern die Fortdauer des mit dem Eintritt geschaffenen Zustands über einen – mehr oder weniger langen – Zeitraum. Somit ist für die Höhe eines Betriebsunterbrechungsschadens neben dem Umfang (Teil- oder Totalunterbrechung) die Dauer das entscheidende Kriterium. Gemäß § 1 Nr. 3 FBUB 2010 A beginnt der Zeitraum des versicherten Ertragsausfalls mit dem Eintritt des Sachschadens. Er endet nach § 1 Nr. 2 FBUB 2010 A an dem Zeitpunkt, ab dem ein Ertragsausfallschaden nicht mehr entsteht. Dies ist nicht schon der Zeitpunkt, an dem die Produktionsleistung wieder vollständig hergestellt ist, sondern nach durchgängiger Meinung in der Literatur erst der Zeitpunkt, an dem die Wiederherstellung der technischen und kaufmännischen Betriebsbereitschaft erreicht worden ist. Ertragsverluste infolge der Betriebsunterbrechung, die sich erst zeigen, wenn die technische Betriebsbereitschaft wieder hergestellt ist – z.B. durch dauerhaft verlorene Kundenaufträge – sind somit ebenfalls ersatzpflichtig.
Rz. 57
Gleichwohl sehen die FBUB 2010 A eine zeitliche Begrenzung des Versicherungsschutzes vor, die sog. Haftzeit. Der Versicherer haftet nach § 1 Nr. 3 FBUB 2010 A nur für den Ertragsausfallschaden, der innerhalb von 12 Monaten seit Eintritt des Sachschadens entsteht. Die Haftzeit beginnt mit Eintritt des Sachschadens und nicht erst, wenn der Betrieb unterbrochen ist. Sie ist unabhängig von der Laufzeit des Versicherungsvertrages. In der Praxis der Industrieversicherung sind häufig Haftzeiten von 18, 24 oder in seltenen Fällen auch 36 Monaten anzutreffen. Die abzusichernde erforderliche Haftzeit ist vorab durch den Versicherungsnehmer unter Berücksichtigung z.B. der erwarteten Wiederaufbau- und Wiederbeschaffungszeiten für Gebäude und technische Anlagen zu bestimmen.
Rz. 58
Beispiel
Ablauf des Versicherungsvertrages ist der 1.1.2024. Das Vorrätelager des Versicherungsnehmers brennt am 31.12.2023 kurz vor Mitternacht ab. Die in der Produktionshalle befindlichen Vorräte ermöglichen, dass noch drei weitere Tage eine ungestörte Produktion stattfinden kann. Erst danach ist der Betrieb für vier Wochen unterbrochen, da sich die Ersatz-Lieferung der Vorräte erheblich verzögert. Im konkreten Fall besteht Versicherungsschutz für die vollständige Unterbrechungszeit, da sich der Sachschaden innerhalb der Vertragslaufzeit realisiert hat.
Abschließend gilt es zu berücksichtigen, dass es für die Einhaltung der Haftzeit unerheblich ist, welche Ursachen zu einer verzögerten Wiederherstellung der Betriebstätigkeit führen; es ist dann vielmehr eine Frage, ob sie sodann dem Betriebsunterbrechungsschaden zugerechnet werden können (siehe Rdn 64 ff.).
Fehler bei der Beratung zur Bemessung der Haftzeit oder die nicht korrekte Übernahme der Haftzeit aus einem Vorvertrag können für Versicherungsmakler eine Pflichtverletzung aus dem Versicherungsmaklervertrag darstellen.
Rz. 59
Neben der Haftzeit ist ein weiterer zeitlicher Faktor und Element des Ertragsausfallschadens zu berücksichtigen, der Bewertungszeitraum. Der Bewertungszeitraum dient hier als zeitliche Abgrenzung für die Ermittlung des Versicherungswertes. Gemäß § 5 Nr. 2 FBUB 2010 A umfasst der Bewertungszeitraum 12 Monate, auch bei unterjährigen Haftzeiten, und endet entweder mit dem Zeitpunkt, zu dem kein Ertragsausfallschaden mehr besteht oder spätestens mit dem Ende der Haftzeit. Den Versicherungswert ermittelt man dann für den vor diesem Zeitpunkt liegenden 12-monatigen Bewertungszeitraum und stellt ihn der Versicherungssumme gegenüber. Dadurch lässt sich ermitteln, ob die Versicherungssumme ausreichend bemessen war oder ggf. Unterversicherung vorliegt. Sofern überjährige Haftzeiten bis zu 24 Monaten festgelegt werden, beträgt der Bewertungszeitraum stets 24 Monate (§ 5 Nr. 2 S. 2 FBUB 2010 A).