Angelika Wimmer-Amend, Michael Merten
a) Typischer Sachverhalt
Rz. 156
Unmittelbar nach Verfahrensbeginn zeigt sich, dass sich bei dem Insolvenzverwalter zahlreiche Interessenten melden, die den Geschäftsbetrieb bzw. einen Teil des Geschäftsbetriebes erwerben wollen. Es liegen noch zahlreiche unbearbeitete Aufträge vor. Es besteht aber die Schwierigkeit, dass die vorhandene Liquidität zur Betriebsfortführung nicht ausreicht.
b) Rechtliche Grundlagen
Rz. 157
Der Verwalter ist angehalten, den Betrieb zumindest bis zur ersten Gläubigerversammlung fortzuführen, bis die Gläubigermehrheit entscheidet, ob der Betrieb eingestellt, vorläufig fortgeführt oder ein Insolvenzplan ausgearbeitet werden soll, § 157 InsO. Hinsichtlich der Verwertung des Unternehmens bietet die Insolvenzordnung verschiedene Möglichkeiten.
Die Betriebsfortführung kann zum Zwecke der Masseschaffung, z.B. durch Fertigstellung von Halbfabrikaten, wie auch zum Zwecke der Unternehmensveräußerung erfolgen. Schließlich erhält der Verwalter auch für den Betrieb insgesamt einen Erlös, der der Masse zugutekommt.
Rz. 158
Ein erfahrener Verwalter wird sich auch die Frage stellen, ob eine Sanierung des Unternehmens aus der Insolvenz heraus möglich ist, um den Betrieb und die Arbeitsplätze – wenn auch ggf. auf einem niedrigeren Niveau – zu erhalten. Die Verwertung eines sanierten Unternehmens durch Verkauf als Ganzes wird für die Masse und damit für alle Gläubiger effektiver sein als die Zerschlagung des Unternehmens. Möglich ist auch die Fortführung nur eines Unternehmensteils mit dem Ziel der Veräußerung und der Schaffung von Masse, wenn lediglich ein Teil des Unternehmens sanierungsfähig ist.
c) Checkliste: Betriebsfortführung
Rz. 159
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Insolvenzverwalter ist grundsätzlich zur Betriebsfortführung verpflichtet |
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Entscheidung über Betriebseinstellung bis zum Berichtstermin nur mit Zustimmung des Gerichts |
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Betriebsfortführung zur Masseschaffung als Auslaufproduktion oder bei Geschäfts-/Teilgeschäftsveräußerung |
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Sanierungsmaßnahmen zur Kostenreduzierung |
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Einleitung eines strukturierten Veräußerungsprozesses |
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Liquiditätsbeschaffung/Besicherung: Massedarlehen mit Stellung entsprechender Sicherheiten |
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Betriebs-/Teilbetriebsveräußerung: § 25 HGB nicht anwendbar; § 613a BGB mit Modifizierungen anwendbar |
d) Muster: Massekreditvertrag
Rz. 160
Zumeist wird es zu Beginn des Verfahrens an Liquidität mangeln, da nur in den seltensten Fällen noch ausreichende finanzielle Mittel im Unternehmen vorhanden sind. Der Verwalter muss dafür sorgen, dass dem Unternehmen so schnell wie möglich neue finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit der Geschäftsbetrieb ohne große Unterbrechungen fortgesetzt werden kann. Es bietet sich an, einen solchen Massekredit bei den das Unternehmen bisher finanzierenden Banken zu beantragen, da diese das Unternehmen schon seit längerer Zeit kennen und deren Interesse an der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes unter bestimmten Voraussetzungen i.d.R. sehr groß sein wird. Der Verwalter wird seinem Antrag – verbunden mit einem genauen Unternehmenskonzept, zumeist bereits mit Sanierungsmaßnahmen nebst Finanzplan und Liquiditätsplan – den Banken vorlegen müssen, um seinen Liquiditätsbedarf im Einzelnen zu erläutern.
Rz. 161
Muster 21.30: Massekreditvertrag
Muster 21.30: Massekreditvertrag
Massekreditvereinbarung
zwischen
ABC Bank, Frankfurt, und DEF Bank, Frankfurt am Main
– nachstehend Banken genannt –
und
Rechtsanwältin R als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der Fa. A-GmbH
– Kreditnehmer –
Über das Vermögen der Fa. A-GmbH wurde am _____ das Insolvenzverfahren eröffnet. Rechtsanwältin R wurde zur Insolvenzverwalterin bestellt. Der Massekredit dient zur vorübergehenden Betriebsfortführung der A-GmbH zum Zwecke der Betriebsveräußerung. Der Massekredit wird zunächst für einen Zeitraum von zwei Monaten gewährt.
§ 1
Die Banken stellen der Insolvenzverwalterin entsprechend ihrer Quote, die sich an der Kreditlinie orientiert, einen Massekredit i.H.v. insgesamt 800.000 EUR bis einschließlich _____ (Datum) nach Maßgabe der nachstehenden Bedingungen und auf Grundlage der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Verfügung. Auf die ABC Bank entfällt eine Quote von 57 % (= 456.000 EUR), auf die DEF Bank eine Quote von 43 % (= 344.000 EUR).
§ 2
Der Massekredit ist bis auf Weiteres mit 11,5 % p.a. zu verzinsen.
§ 3
Der Massekredit dient der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes, um der Insolvenzverwalterin einen Verkauf des Geschäftsbetriebes zu ermöglichen.
§ 4
Die Insolvenzverwalterin wird den Banken ausreichende Sicherheit stellen. Insbesondere werden alle Halbfabrikate und daraus neu produzierte Fertigfabrikate sicherungsübereignet. Darüber hinaus werden alle neu entstehenden Kundenforderungen sicherungshalber abgetreten. Die Sicherheitenverträge werden in Anlage dem Kreditvertrag beigefügt.
§ 5
Der Massekredit ist als Masseschuld in der Rangfolge des § 209 InsO und/oder aus den für den Massekredit bestellten Sicherheiten zurückzuführen.
§ 6
_____ (Salvatorische Klausel, Sonstiges)
(ABC Bank) |
(DEF Bank) |
(Insolvenzverwalterin für A-GmbH) |
e) Muster: Sicherheitenpoolvertrag
Rz. 162
Der Massekredit muss, wie jedes andere Darlehen, durch den Insolve...