Angelika Wimmer-Amend, Michael Merten
Rz. 56
Für das Eröffnungsverfahren ordnet § 112 InsO an, dass eine Kündigung durch den Vermieter/Verpächter wegen eines Zahlungsverzugs, der vor Insolvenzantragstellung eingetreten ist, und wegen einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Mieters oder Pächters nicht möglich ist. Das Kündigungsverbot dient dem Zweck, die für die evtl. Betriebsfortführung erforderlichen Gegenstände zusammenzuhalten und den Betrieb als wirtschaftliche Einheit zu erhalten. § 112 InsO erfasst auch Leasingverträge, wegen des umfassenden Sanierungszweckes auch weitere Nutzungsverträge, wie z.B. Lizenzverträge.
Miet- und Pachtverträge über Mobilien unterliegen nach Verfahrenseröffnung dem Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters gem. § 103 InsO. Miet- und Pachtverträge über Immobilien bestehen nach Eröffnung fort, § 108 Abs. 1 S. 1 InsO. Allerdings kann der Insolvenzverwalter das Vertragsverhältnis mit der Drei-Monatsfrist des § 109 InsO kündigen (Ausnahme: Wohnung des Insolvenzschuldners, siehe Rdn 57). Das gilt auch für befristete Langzeitverträge. Die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Beendigung des Mietverhältnisses fällig werdenden Mietzinsansprüche sind von dem Verwalter als Masseverbindlichkeiten zu begleichen.
Rz. 57
Bei Wohnraummietverhältnissen mit Insolvenzschuldnern sind die nachfolgend erläuterten Besonderheiten zu beachten.
Im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ungekündigte Wohnungsmietverhältnisse bestehen im Insolvenzverfahren gem. § 108 InsO (zunächst) fort. Die Mietzinsforderungen aus dem Zeitraum nach Eröffnung des Verfahrens stellen daher Masseverbindlichkeiten dar, und können folglich grundsätzlich von dem Vermieter gegen den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden, wenn der Insolvenzschuldner (Mieter) den Mietzins nicht entrichtet. In der Regel sind die Ansprüche gegen die Masse in Verbraucherinsolvenzverfahren jedoch nicht werthaltig, da die ganz überwiegende Anzahl der Verfahren masseunzulänglich ist und daher der Insolvenzverwalter keine Möglichkeit hat, die Miete zu bezahlen.
Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, die Masse zu sichern, und muss Verbindlichkeiten der Masse vermeiden bzw. alle Dauerschuldverhältnisse beenden. Eine Kündigung von Wohnraummietverhältnissen ist dem Insolvenzverwalter jedoch nicht möglich, wenn die Wohnung von dem Insolvenzschuldner genutzt wird. Bei Wohnraummietverhältnissen des Insolvenzschuldners als Mieter kann und muss der Insolvenzverwalter die Insolvenzmasse jedoch gem. § 109 Abs. 1 S. 2 InsO enthaften. Er wird daher gegenüber dem Vermieter erklären, dass Mietzinsansprüche, die nach Ablauf von drei Monaten bzw., sofern diese kürzer ist nach Ablauf der Kündigungsfrist, fällig werden, nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Mit Ablauf dieser Frist endet lediglich die Haftung der Masse. Das Mietverhältnis besteht jedoch fort.
Durch die Erklärung des Insolvenzverwalters geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich des Mietverhältnisses in vollem Umfang auf den Schuldner über. Das Mietverhältnis besteht dann weiterhin zwischen dem Vermieter und dem Insolvenzschuldner fort. Miete und Nebenkosten können von dem Vermieter nur noch von dem Insolvenzschuldner (Mieter) aus dessen pfändungsfreien Einkommen verlangt werden. Eine bei einer Beendigung des Mietverhältnisses freiwerdende Kaution wäre nicht an den Insolvenzverwalter, sondern an den Mieter auszuzahlen.
Da eine Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter wegen eines Verzuges, der in der Zeit vor dem Insolvenzantrag eingetreten ist, nicht möglich ist, § 112 Nr. 1 InsO, kann sich eine Kündigung nach dem Insolvenzantrag grundsätzlich nur auf solche Verzugstatbestände stützen, die nach dem Antrag eintreten.
Diese Kündigungssperre gilt nach Insolvenzeröffnung fort, sodass der Vermieter seine Kündigung (zunächst) nicht auf den vor dem Insolvenzantrag eingetretenen Verzug stützen kann. Allerdings kann der Vermieter nach Abgabe der Enthaftungserklärung des Verwalters die alten Rückstände wieder zum Anlass einer Verzugskündigung nehmen.
Rz. 58
Dem Vermieter steht an den im Eigentum des Schuldners stehenden Gegenständen ein gesetzliches Vermieterpfandrecht zu. In der Insolvenz begründet dieses ein Absonderungsrecht bzw. sofern der Insolvenzverwalter die betreffenden Gegenstände, z.B. im Rahmen eines "asset deal", verwertet, ein Ersatzabsonderungsrecht. Vor der Verwertung hat der Insolvenzverwalter den Vermieter gem. §§ 166, 168 InsO auf die Möglichkeit der Benennung einer besseren Verwertungsmöglichkeit hinzuweisen. Benennt der Vermieter keine bessere Verwertungsmöglichkeit, verwertet der Insolvenzverwalter. Hierfür stehen ihm gem. § 171 InsO 4 % als Feststellungspauschale und weitere 5 % Verwertungspauschale an dem zur Insolvenzmasse vereinnahmten Verwertungserlös zu.