Angelika Wimmer-Amend, Michael Merten
Rz. 199
Die Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens beginnt zwingend mit der Durchführung eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens auf der Grundlage eines Schuldenbereinigungsplans. Ist eine Einigung mit sämtlichen Gläubigern möglich, so erübrigt sich die Durchführung eines Insolvenzverfahrens. Kommt ein solcher außergerichtlicher Vergleich jedoch nicht zustande, ist dies durch eine geeignete Person oder Stelle zu bescheinigen, damit das gerichtliche Verfahren eingeleitet werden kann, § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Insoweit kommen insbesondere Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Gerichtsvollzieher sowie die eingerichteten Schuldnerberatungsstellen in Betracht; Rechtsanwälte auch dann, wenn sie gleichzeitig als Betreuer des Schuldners bestellt sind. Das darin bescheinigte Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs darf nicht älter sein als sechs Monate.
Der Schuldner kann grundsätzlich den Einigungsversuch selbst durchführen, muss sich dies allerdings von den oben genannten geeigneten Stellen oder Personen bescheinigen lassen. Im Regelfall wird der außergerichtliche Schuldenbereinigungsplan jedoch von Schuldnerberatungsstellen oder Rechtsanwälten ausgearbeitet und sämtlicher Schriftwechsel mit den Gläubigern etc. von diesen geführt.
aa) Adressaten des außergerichtlichen Einigungsversuchs
Rz. 200
Das außergerichtliche Einigungsverfahren sollte alle Gläubiger umfassen, die eine Forderung gegen den Schuldner geltend machen. Daher besteht ein großer Teil der anwaltlichen Arbeit in dem Sortieren von Unterlagen des Schuldners, der häufig den Überblick über die gegen ihn gerichteten Forderungen verloren hat. Empfehlenswert ist das Einholen von Auskünften aus Schuldnerverzeichnissen, die bei der SCHUFA, aber auch bei anderen Verbraucher- bzw. Wirtschaftsauskunfteien, wie Infoscore und der Creditreform, geführt werden. Das Einholen der Auskünfte ist dringend zu empfehlen, auch wenn diese teilweise kostenpflichtig sind. Nur so ist ein späterer Nachweis gegenüber dem Insolvenzgericht möglich, dass der Schuldner in seinem Insolvenzantrag Gläubiger nicht aus grober Fahrlässigkeit "vergessen" hat. Andernfalls riskiert der Schuldner unter Umständen die Versagung der Restschuldbefreiung, § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO.
Des Weiteren ist es sinnvoll und erforderlich, gemeinsam mit dem Schuldner dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse (ggf. pfändbares Einkommen, Unterhaltspflichten, Kfz, Lebensversicherungen, Grundvermögen, Gelder Dritter etc.) sowie ggf. vorhandene Aus- und Absonderungsrechte zu ermitteln. Denn zum einen besteht dann eine größere Chance, sich mit den Gläubigern außergerichtlich zu einigen, wenn diesen ein finanzieller Anreiz geboten wird. Zum anderen sind ausführliche Angaben hierzu im späteren Insolvenzantrag erforderlich, so dass sich eine genaue Aufstellung dieser Positionen bereits zu diesem Zeitpunkt anbietet.
bb) Inhalt des außergerichtlichen Einigungsversuchs
Rz. 201
Inhaltlich sind einer außergerichtlichen Einigung wegen des Grundsatzes der Privatautonomie kaum Grenzen gesetzt, sofern der Einigungsversuch als ernstlich betrachtet werden kann. Eine Gesamtkonzeption für alle Gläubiger muss erkennbar sein, so dass einzelne Gespräche mit ausgewählten Gläubigern nicht ausreichen. In Betracht kommen Vereinbarungen über Einmal- und Ratenzahlungen oder einen Teilerlass, ggf. unter Vereinbarung von Wiederauflebensklauseln für den Fall des Verzuges. Den praktischen Regelfall stellt zumeist ein sog. flexibler Nullplan dar. Hierin bietet der zurzeit nicht zahlungsfähige Schuldner für eine der Abtretungsfrist des § 287 Abs. 2 InsO entsprechende Laufzeit die Abtretung seines pfändbaren Einkommens und z.B. die Übertragung der Hälfte einer Erbschaft, soweit eine solche anfallen sollte, an. Diese Einnahmen wären sodann auf die Gläubiger nach deren Anteil an der Gesamtverschuldung zu verteilen. Aufgrund der ungewissen Ertragsaussichten eines solchen Vergleichs und nicht zuletzt auch aufgrund fehlender Möglichkeiten zur Überwachung des Schuldners findet zumeist eine solche außergerichtliche Lösung kaum Zustimmung bei den Gläubigern.