Angelika Wimmer-Amend, Michael Merten
Rz. 10
Der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit ist nach § 17 Abs. 2 S. 1 InsO gegeben, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen.
Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH liegt Zahlungsunfähigkeit vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, 10 % oder mehr seiner fälligen Verbindlichkeiten innerhalb von drei Wochen zu tilgen. Nur ausnahmsweise ist Zahlungsfähigkeit gleichwohl noch anzunehmen, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt ist und den Gläubigern im Einzelfall ein Zuwarten zuzumuten ist. Beträgt die innerhalb der Drei-Wochen-Frist nicht zu beseitigende Liquiditätslücke weniger als 10 %, ist der Schuldner nur dann zahlungsunfähig, wenn bereits absehbar ist, dass die Liquiditätslücke demnächst 10 % oder mehr betragen wird.
Eine Forderung ist zu berücksichtigen, wenn sie einredefrei ist und von dem Gläubiger ernstlich eingefordert, d.h. nicht gestundet, wurde. Streitige Forderungen sind mit einem Schätzbetrag zu berücksichtigen. Sollte der Schuldner vortragen, er sei lediglich zahlungsunwillig, ist dieses Vorbringen nur dann beachtlich, wenn gleichzeitig Zahlungsfähigkeit gegeben ist.
In der Praxis bedeutsam ist die gesetzliche Vermutung des § 17 Abs. 2 S. 2 InsO. Danach ist dann von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat, d.h. wenn sich für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängt, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten begleichen zu können. Die Zahlungseinstellung legt im Allgemeinen den spätesten Zeitpunkt fest, in dem der Schuldner zahlungsunfähig ist. Zentrales Beweiszeichen ist die Nichterfüllung von Forderungen. Dabei reicht auch die Nichterfüllung nur einer Forderung aus, wenn es sich dabei um eine Forderung von nicht unbeträchtlicher Höhe handelt.
Die häufig auftretende Hoffnung der Schuldner, Zahlungsfähigkeit rasch wieder herstellen zu können, erfüllt sich nur dann, wenn der Schuldner sämtliche Zahlungen wieder aufnimmt. Nach ständiger Rechtsprechung wird eine einmal eingetretene Zahlungsunfähigkeit erst dann beseitigt, wenn der Schuldner seine Zahlungen an die Gesamtheit der Gläubiger im Allgemeinen wieder aufgenommen hat. Die Wiederaufnahme der Zahlungen im Allgemeinen erfordert, dass – bis auf unwesentliche Ausnahmen – alle fälligen Zahlungen geleistet werden. Das betrifft die Verbindlichkeiten gegenüber sämtlichen Gläubigern einschließlich solcher, die demnächst fällig werden. Bloße Patronatserklärungen genügen für die Beseitigung von Zahlungsunfähigkeit jedenfalls nicht.
Ergänzend wird auf den vom Institut der Wirtschaftsprüfer e.V. herausgegebenen IDW-Standard 11 für die Beurteilung der Insolvenzreife verwiesen. Die Verlautbarung bietet eine hochqualifizierte Orientierung mit praktischer Relevanz weit über den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer hinaus.