Angelika Wimmer-Amend, Michael Merten
(1) Zahlungsverbote
Rz. 35
Die bisher in § 64 GmbHG angeordnete Haftung des Geschäftsführers für Vermögensabflüsse in der Krise der Gesellschaft ist nunmehr rechtsformübergreifend in den Vorschriften des am 1.1.2021 in Kraft getretenen § 15b InsO geregelt. Auf die obigen Erläuterungen (siehe Rdn 29 ff.) wird verwiesen.
(2) Existenzvernichtungshaftung gem. § 826 BGB, ggf. § 31 GmbHG
Rz. 36
Bei dem von der Rechtsprechung entwickelten Haftungstatbestand des existenzvernichtenden Eingriffs handelt es sich um eine im Insolvenzfall von dem Insolvenzverwalter geltend zu machende Innenhaftung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft.
Der BGH hat hierzu klargestellt, dass es sich bei der Existenzvernichtungshaftung dogmatisch um einen Unterfall der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung i.S.d. § 826 BGB handelt. Daneben greift aber auch die Haftung aus § 31 GmbHG, deren Voraussetzungen im Vergleich zu denen des § 826 BGB leichter zu beweisen sind, dessen Haftungsumfang allerdings auf das Stammkapital der Gesellschaft begrenzt ist.
Es genügt, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft zielgerichtet Vermögenswerte entzogen und damit die Existenz der Gesellschaft vernichtet hat. Letzteres ist dann der Fall, wenn der Entzug von Vermögen kausal zur Insolvenzreife der Gesellschaft geführt hat oder eine vor dem Eingriff bereits vorhandene Insolvenzreife durch den Eingriff vertieft worden ist. Unerheblich ist, ob die GmbH jemals hinreichend mit Kapital ausgestattet war.
Von dem Vermögensbegriff des § 826 BGB werden alle materiellen und auch immateriellen Gegenstände erfasst, die es der Gesellschaft ermöglichen, ihre wirtschaftliche Tätigkeit planmäßig fortzusetzen. Erfasst sind also auch Aufträge, Lizenzrechte und Know-how, soweit diese erforderlich sind, weiterhin Umsatzerlöse zu erzielen.
Unter Entzug sind neben direkten Entnahmen sämtliche Maßnahmen, die die zweckgebundene Kapitalbindung missachten. Klassischer Fall ist die Umleitung von Vermögensgegenständen zu betriebsfremden Zwecken.
Der Anspruch aus § 826 BGB besteht zum Schutz der Gesellschaft. Eine Haftung gegenüber der Gesellschaft scheidet dann aus, wenn der Gesellschafter einzelnen Gläubigern lediglich das Sicherungsgut entzieht.
Subjektive Anspruchsvoraussetzung des § 826 BGB ist zumindest bedingter Vorsatz.
Der Umfang des Schadensersatzanspruchs umfasst zunächst den Wert der unmittelbar entzogenen Vermögenspositionen, außerdem solche Schäden, die etwa durch insolvenzbedingte Zerschlagungsverluste entstehen. Es kann sich darüber hinaus auf den entgangenen Gewinn erstrecken sowie auf die Kosten eines Insolvenzverfahrens.
(3) Vermögensvermischungshaftung
Rz. 37
Gem. § 13 GmbHG gilt grundsätzlich das Vermögenstrennungsprinzip zwischen dem Gesellschaftsvermögen und dem Vermögen der GmbH. Gleichwohl ist insbesondere im Fall der sog. Vermögensvermischung ein Haftungsdurchgriff auf das Vermögen des Gesellschafters möglich.
Die vom BGH aus analoger Anwendung der §§ 128, 129 HGB hergeleitete Vermögensvermischungshaftung greift ein, wenn ein Gesellschafter mit beherrschender Stellung für den Vermögensvermischungstatbestand verantwortlich ist. Die tatbestandlichen Voraussetzungen sind z.B. gegeben, wenn eine undurchsichtige Buchhaltung geführt wird, damit eine Kontrolle über die Beachtung der Kapitalerhaltungsvorschriften nicht mehr möglich ist.
Subjektive Tatbestandsvoraussetzungen bestehen nicht.
Rechtsfolge des Vorliegens des Vermögensvermischungstatbestandes ist eine Durchgriffshaftung gegen den handelnden Gesellschafter. Analog § 128 HGB haftet der Gesellschafter für sämtliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft mit seinem Privatvermögen. Mehrere Gesellschafter haften gesamtschuldnerisch.
(4) Haftung von GmbH-Organmitgliedern mit Bezug zum Gründungsstadium
Rz. 38
Weitere Ansprüche können auf Organmitglieder einer GmbH wegen einer verdeckten Sacheinlage bzw. einer Umgehungsabrede, § 19 Abs. 4 GmbHG, aus dem Gesichtspunkt des Hin- und Herzahlens der Stammeinlage ggf. auch wegen Voreinzahlungen auf das Stammkapital sowie aus nicht ordnungsgemäßen Kapitalerhöhungen zukommen. Zu den diesbezüglichen Pflichten und der Haftung in der GmbH wird auf die Ausführungen im Kapitel GmbH-Recht in diesem Buch verwiesen.
(5) Inhabilität gem. § 6 Abs. 2 GmbHG
Rz. 39
Die Verurteilung wegen vorsätzlich begangener Insolvenzverschleppung oder anderer Insolvenzstraftaten gem. § 6 Abs. 2 GmbHG führt für die Dauer von fünf Jahren seit Rechtskraft der Verurteilung zur Inhabilität als Geschäftsführer. Entgegen dem insoweit missverständlichen Wortlaut erfüllt nicht nur die Verurteilung wegen unterlassener, sondern auch wegen verspäteter oder unrichtiger Insolvenzantragstellung den Ausschlusstatbestand.