Angelika Wimmer-Amend, Michael Merten
Rz. 228
Gegenstand der Insolvenzmasse sind insbesondere die Rückkaufswerte und sonstigen Ansprüche aus Versicherungsverträgen über Lebensversicherungen und ggf. Altersvorsorgeleistungen. Die Pfändbarkeit und damit die Massezugehörigkeit dieser Verträge richtet sich vor allem nach § 851 ZPO.
Unproblematisch können Verträge, die ausschließlich auf eine Kapitalabfindung gerichtet sind, vom Insolvenzverwalter gem. § 103 InsO beendet werden. Dies ist dem Grundsatz nach auch bei sog. Sterbegeldversicherungen der Fall. Um dem Schuldner eine würdevolle Bestattung ohne Rückgriff auf Sozialleistungen und Verwandte (Verpflichtete gem. § 1968 BGB) zu ermöglichen, hat der BGH einen Sockelbetrag i.H.v. 3.579 EUR als unpfändbar gem. § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO und somit als insolvenzfest anerkannt.
Sofern ein Dritter aus einem zwischen dem Schuldner und der Versicherungsgesellschaft geschlossenen Lebens- oder Unfallversicherungsvertrag bezugsberechtigt ist, ist der Vertrag nur dann insolvenzfest, wenn dem Dritten ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt worden ist. Liegt kein unwiderrufliches Bezugsrecht des Dritten vor, muss der Insolvenzverwalter gem. § 168 Abs. 1 VVG i.V.m. § 80 InsO kündigen, um den Rückkaufswert zur Insolvenzmasse zu ziehen. Tritt allerdings der Versicherungsfall vor der Verfahrenseröffnung ein, erwirbt der Dritte das Recht auf die Versicherungsleistung.
Der Insolvenzverwalter muss das Eintrittsrecht von Familienmitgliedern gem. § 170 VVG beachten. Die Entscheidung ist von dem Familienmitglied innerhalb eines Monats ab Kenntnis von der Insolvenzeröffnung zu treffen.
In der Praxis des Insolvenzverwalters kann die insolvenzrechtliche Beurteilung von Ansprüchen des Schuldners aus sog. Direktversicherungen problematisch sein. Direktversicherungsverträge werden von dem schuldnerischen Arbeitgeber als Vertragspartner der Versicherungsgesellschaft abgeschlossen auf das Leben oder Alter des Schuldners. Dieser ist i.d.R. unwiderruflich Begünstigter aus dem Vertrag. Rechtlich handelt es sich um einen Vertrag zugunsten Dritter. Während sich die Arbeitgeber des Schuldners zumeist gegenüber dem Insolvenzverwalter auf die Regelungen des § 2 Abs. 2 BetrAVG berufen und die Rechte aus der Versicherung für unpfändbar erklären, hat der BGH hierzu entschieden, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Versicherungssumme aus einer Firmendirektversicherung bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls als zukünftige Forderung pfändbar ist. Normzweck des § 2 Abs. 2 BetrAVG, der einem Pfändungsverbot i.S.d. § 851 Abs. 1 ZPO entspricht, ist es, zu verhindern, dass der Arbeitnehmer die Versicherung vorzeitig auflöst und für andere Zwecke als die in dem Vertrag genannten verwendet. Damit bleibt der Beschlag auf die Versicherungsleistung auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens aufrechterhalten. Die praktische Handhabung ist problematisch, da sich auf diese Weise die Folgen eines Insolvenzverfahrens bis zum Eintritt des Rentenalters bzw. Versicherungsfalles ausdehnen. Dem Insolvenzverwalter, insbesondere über das Vermögen eines relativ jungen Schuldners, ist zu empfehlen, eine Einigung mit dem Arbeitgeber und der Versicherung über eine vorzeitige Vertragsaufhebung in dem Insolvenzverfahren zu erzielen, so dass ein Rückkaufswert zur Insolvenzmasse fließen kann. Die Parteien können anschließend einen neuen, insolvenzfesten Versicherungsvertrag abschließen.