Angelika Wimmer-Amend, Michael Merten
I. Typischer Sachverhalt
Rz. 220
Am 1.8.2021 geht Rechtsanwältin A ein Beschluss des Amtsgerichts zu, in dem das Gericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter Bestellung der A zur Insolvenzverwalterin im Verbraucherinsolvenzverfahren beschließt. A wird beauftragt, Zustellungen vorzunehmen. Die Gläubiger werden aufgefordert, bis zum 1.9.2021 ihre Forderungen und ggf. bestehende Sicherungsrechte bei A anzumelden. Personen, die Verpflichtungen gegenüber dem Schuldner haben, werden zur Leistung an die A aufgefordert. Die Forderungen werden am 15.11.2021 im schriftlichen Verfahren geprüft. Dem Beschluss sind die Akte des Insolvenzgerichts und die Bestallungsurkunde beigefügt sowie ein Begleitschreiben, in dem die Termine angegeben sind, wann die angemeldeten Forderungen nebst den beigefügten Urkunden sowie die Tabelle nach § 175 Abs. 1 InsO, die Verzeichnisse nach §§ 151 ff. InsO und der erste Sachstandsbericht beim Gericht einzureichen sind.
II. Rechtliche Grundlagen
1. Maßnahmen des Insolvenzverwalters nach Erhalt des Eröffnungsbeschlusses
Rz. 221
Auch im Verbraucherinsolvenzverfahren besteht die Hauptaufgabe des Insolvenzverwalters darin, das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen in Besitz und Verwaltung zu nehmen, mögliche weitere Massegegenstände einschließlich des Neuerwerbs zu ermitteln und zu verwerten. Er hat die Gläubiger aufzufordern, ihre Forderungen unter Nachweis von Absonderungsrechten anzumelden und die Drittschuldner (insbes. Kreditinstitute und Arbeitgeber) zu informieren, dass diese statt an den Schuldner nur noch an den Insolvenzverwalter zu leisten haben.
a) Wohnungsmietverhältnis des Schuldners
Rz. 222
Zur Enthaftung der Insolvenzmasse aus den Verpflichtungen des Wohnungsmietvertrags über die schuldnerische Wohnung erklärt der Insolvenzverwalter gem. § 109 Abs. 1 S. 2 InsO die Freigabe des Mietverhältnisses unter Enthaftung der Insolvenzmasse. Der Erstattungsanspruch bezüglich der von dem Schuldner ggf. eingezahlten Mietkaution ist Gegenstand der Insolvenzmasse, auch wenn er noch nicht fällig ist. Mit der Freigabeerklärung wird der Anspruch des Schuldners auf Rückzahlung einer Mietkaution vom Insolvenzbeschlag frei. Vgl. dazu ausführlich Rdn 57.
b) Muster: Erklärung zum Mietverhältnis, § 109 Abs. 1 InsO
Rz. 223
Muster 21.36: Erklärung zum Mietverhältnis, § 109 Abs. 1 InsO
Muster 21.36: Erklärung zum Mietverhältnis, § 109 Abs. 1 InsO
Erklärung zu dem Mietverhältnis gem. § 109 Abs. 1 InsO
An _____ (Vermieter)
In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn _____, wohnhaft _____, Amtsgericht _____, Az. _____
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Beschluss vom _____ hat das Amtsgericht _____ das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn _____ eröffnet und die Unterzeichnete zur Insolvenzverwalterin bestellt. Eine Kopie des Beschlusses erhalten Sie als Anlage.
Nach den mir vorliegenden Unterlagen steht Herr _____ mit Ihnen in einem Mietvertragsverhältnis über eine von ihm selbst genutzte Wohnung. Bezüglich des bestehenden Mietverhältnisses erkläre ich hiermit gemäß § 109 Abs. 1 S. 2 InsO, dass Ansprüche aus dem Mietverhältnis nicht in dem Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können (Enthaftung der Insolvenzmasse). Die Insolvenzmasse haftet daher nicht für Verbindlichkeiten aus dem Vertragsverhältnis, die nach Ablauf der Frist des § 109 Abs. 1 S. 1 InsO fällig werden. Der Fortbestand des Mietverhältnisses wird durch diese Erklärung nicht berührt. Herr _____ unterliegt in der Vertragsführung keinen insolvenzrechtlichen Beschränkungen, die das Vertragsverhältnis beeinträchtigen können.
Überdies bitte ich Sie, mir mitzuteilen und nachzuweisen, ob die von Herrn _____ hinterlegte Mietkaution in Höhe von _____ EUR von Ihnen auf ein aussonderungsfähiges Konto hinterlegt wurde.
Mit freundlichen Grüßen
(Rechtsanwältin als Insolvenzverwalterin)
c) Pfändbares Einkommen, § 287 InsO
Rz. 224
Wichtiger Massegegenstand in den Verbraucherinsolvenzverfahren ist das pfändbare Einkommen des Schuldners, § 287 Abs. 2 InsO. Der Lebensunterhalt aus dem Einkommen des Schuldners ist im Verbraucherinsolvenzverfahren über die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO sichergestellt. Maßgebend ist hier insbesondere die Pfändungstabelle zu § 850c ZPO.
Pfändbar können auch einmalige Bezüge des Arbeitnehmers, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus einer selbstständigen Nebentätigkeit sein. Die Pfändbarkeit richtet sich nach § 850i ZPO. Rückstände und Vorschüsse fallen hierunter nicht. Diese sind auf den Zeitraum zu verrechnen, auf den sie entfallen und wie "normaler" Arbeitslohn zu behandeln.
Bezieht der Schuldner mehrere Einkünfte, z.B. aus verschiedenen Renten (Witwen-/Witwerrente, Altersrente, Erwerbsminderungsrente, Betriebsrente, VBL-Rente) oder Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit und einer Rente, muss der Insolvenzverwalter bei dem Insolvenzgericht als Vollstreckungsgericht durch einen entsprechenden Antrag zunächst einen Beschluss auf Zusammenrechnung der Einkünfte erwirken, § 36 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 InsO i.V.m. §§ 850, 850e ZPO. Erst nach Zustellung des Zusammenrechnungsbeschlusses sind die Drittschuldner (z.B. Rententräger) verpflichtet, den pfändbaren Betrag an den Insolvenzverwalter auszukehren.
Übt der Schuldner eine selbststä...