Angelika Wimmer-Amend, Michael Merten
1. Gesetzliche Grundlagen und Ziele des Insolvenzrechts
Rz. 2
Das Insolvenzrecht ist Gesamtvollstreckungsrecht. Ziel ist gem. § 1 InsO die bestmögliche, gemeinschaftliche Befriedigung der Insolvenzgläubiger. Dieses kann durch die Verwertung des Schuldnervermögens und Verteilung des Erlöses oder im Rahmen eines Insolvenzplans durch eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens erreicht werden. Überdies räumt die Insolvenzordnung dem redlichen Schuldner als natürliche Person die Chance der Restschuldbefreiung ein.
Es gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger von Insolvenzforderungen (par conditio creditorum). Sonderrechte bestehen für Gläubiger mit Absonderungsrechten (§§ 48, 49, 114 InsO), für Gläubiger, die zur Aufrechnung berechtigt sind, § 94 ff. InsO, sowie für bestimmte Steuerverbindlichkeiten, die im Insolvenzeröffnungsverfahren begründet worden sind, § 55 Abs. 4 InsO.
2. SanInsFoG
Rz. 3
Bedeutende Änderungen hat das deutsche Insolvenz- und Sanierungsrecht zuletzt durch das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG erfahren. Kernstück der Reform ist das am 1.1.2021 in Kraft getretene Unternehmensstabilisierungs- und -Restrukturierungsgesetz – StaRUG, welches Unternehmen insolvenzabwendende Sanierungen auf der Grundlage eines von den Gläubigern außerhalb eines Insolvenzverfahrens mehrheitlich angenommenen Restrukturierungsplans ermöglichen soll. Die Änderungen der InsO nach Art. 5 SanInsFoG betreffen in erster Linie die Insolvenzgründe, das Insolvenzplan- sowie das Eigenverwaltungsverfahren. Es ist zu beachten, dass auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1.1.2021 beantragt worden sind, die bis dahin geltenden Vorschriften anzuwenden sind, Art. 103m EGInsO. Nachfolgend wird die Rechtslage für ab dem 1.1.2021 beantragte Insolvenzverfahren zugrunde gelegt. Die für bis zum 31.12.2020 beantragte Insolvenzverfahren geltende (alte) Rechtslage wird – soweit erforderlich – in Fußnoten erläutert.
3. Insolvenzantrag und Insolvenzgründe
Rz. 4
Das Insolvenzverfahren wird nicht von Amts wegen, sondern nur auf schriftlichen Antrag eröffnet. Antragsberechtigt sind die Gläubiger und der Schuldner, § 13 Abs. 1 InsO.
Zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt es nur dann, wenn ein Insolvenzgrund gem. §§ 17, 18 oder 19 InsO vorliegt (siehe Rdn 10 ff.). Im Falle des Eigenantrags kann dies neben der bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit auch die drohende Zahlungsunfähigkeit sein. Bei einer juristischen Person ist außerdem die Überschuldung ein Eröffnungsgrund.
a) Antragsrecht
Rz. 5
Antragsberechtigt ist jede natürliche Person, die bereits zahlungsunfähig ist oder deren Zahlungsunfähigkeit droht.
Bei juristischen Personen oder Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit ist – auch bei Gesamtvertretung – jedes Mitglied des Vertretungsorgans antragsberechtigt, bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit jeder persönlich haftende Gesellschafter sowie jeder Abwickler, § 15 Abs. 1 InsO.
Antragsrecht und Antragspflicht liegen bei Kapitalgesellschaften ausschließlich bei dem Vertretungsorgan (Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder), nicht hingegen bei den Gesellschaftern. Antragsbefugt bei der GmbH & Co. KG ist daher der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Die Gesellschafter juristischer Personen sind jedoch zur Stellung des Antrags berechtigt und verpflichtet, wenn die Gesellschaft führungslos ist, §§ 15 Abs. 1 S. 2, 15a Abs. 3 InsO.
Dem faktischen Geschäftsführer einer GmbH wird zwar teilweise keine eigene Antragsbefugnis zuerkannt, nach Ansicht des BGH ist er jedoch zur Antragstellung verpflichtet. Im Hinblick auf die Anforderungen der Rechtsprechung und die Haftungsrisiken sollte der faktische Geschäftsführer bei dem Vorliegen zwingender Insolvenzgründe (Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung) einen (ggf. unzulässigen) Insolvenzantrag stellen und zugleich die bestellten Organmitglieder bzw. bei Führungslosigkeit die Gesellschafter zur Antragstellung auffordern.
Bei der sog. Vorgesellschaft ist neben den bestellten organschaftlichen Vertretern auch jeder Gesellschafter berechtigt, einen Insolvenzantrag zu stellen.
Bei der BGB-Gesellschaft und bei der OHG ist jeder einzelne Gesellschafter antragsberechtigt, bei der KG der Komplementär als persönlich haftender Gesellschafter.
Bei rechtsfähigen Vereinen und Stiftungen ist jedes Vorstandsmitglied und jeder Liquidator berechtigt, Insolvenzantrag zu stellen, §§ 26 ff. 48 ff., 86 BGB.
Rz. 6
Bei der Antragstellung sind Tatsachen vorzutragen, aus denen sich der Eröffnungsgrund ergibt. Der Eröffnungsgrund ist durch konkrete Tatsachen in substantiierter, nachvollziehbarer Form darzulegen. Eine Glaubhaftmachung ist erforderlich, wenn eine Mehrheit von Organmitgliedern antragsberechtigt ist (z.B. bei juristischen Personen mehrere Geschäftsführer) und nur ein Berechtigter den Antrag stellt. Die Glaubhaftmachung muss sich auf die tatsächlichen Grundlagen d...