Dr. Daniel Faulenbach, Peter Friedhofen
I. Allgemeines
Rz. 10
Gem. § 4 S. 1 KSchG muss ein Arbeitnehmer, der geltend machen will, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Entspricht der Feststellungsantrag des klagenden Arbeitnehmers dem Wortlaut des § 4 S. 1 KSchG, ist nach herrschender Meinung Streitgegenstand die Frage, ob das Arbeitsverhältnis durch diese Kündigung zu einem bestimmten Termin aufgelöst worden ist oder nicht, sog. punktuelle Streitgegenstandstheorie. Allerdings gilt insoweit nach neuerer Rechtsprechung des BAG ein erweiterter punktueller Streitgegenstand. Das heißt: Die einem Antrag nach § 4 S. 1 KSchG stattgebende Entscheidung enthält zugleich die Feststellung, dass zum angestrebten Auflösungszeitpunkt ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien noch bestanden hat. Mit Rechtskraft einer solchen Entscheidung steht darum grundsätzlich fest, dass das Arbeitsverhältnis bis zu dem vorgesehenen Auflösungstermin auch nicht durch mögliche andere Beendigungstatbestände aufgelöst worden ist, selbst wenn diese von keiner Seite in den Prozess eingeführt wurden. Damit liegt in der Kündigungsschutzklage zugleich der Angriff gegen solche Kündigungen, die dem Arbeitnehmer noch während des Laufs der von der ersten Kündigung ausgelösten Auflösungsfrist zugehen und innerhalb dieser Frist oder zeitgleich mit ihrem Ablauf Wirkung entfalten sollen. Zudem schließt die Rechtskraft einer stattgebenden Entscheidung über eine Klage nach § 4 S. 1 KSchG gemäß § 322 ZPO im Verhältnis der Parteien zueinander eine hiervon abweichende gerichtliche Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses zum vorgesehenen Auflösungszeitpunkt aus. Dies gilt jedoch nur, soweit der Gegenstand der Kündigungsschutzklage nicht durch den Kläger auf die konkret angegriffene Kündigung beschränkt worden ist und somit die Frage, ob auch noch im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, gerade nicht Streitgegenstand der betreffenden Klage war. Es wird aber auch die Auffassung vertreten, Streitgegenstand des Kündigungsschutzprozesses sei der Bestand des Arbeitsverhältnisses zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung, sog. weiter bestandsrechtlicher Streitgegenstandsbegriff.
II. Folgerungen
Rz. 11
Aus der punktuellen Streitgegenstandstheorie folgt, dass jede Kündigung, sei es eine außerordentliche, eine ordentliche, eine vorsorglich ordentliche, eine vorsorglich außerordentliche, eine entfristete, eine bedingte innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist zur Meidung der Fiktion des § 7 KSchG angegriffen werden muss, und zwar auch dann, wenn eine weitere Kündigung oder wenn weitere Kündigungen während eines bereits laufenden Kündigungsschutzverfahrens gegenüber dem Arbeitnehmer ausgesprochen werden.
Rz. 12
Im Hinblick auf die punktuelle Streitgegenstandstheorie ist in jedem Fall, erst recht in dem Fall, dass mehrere Kündigungen ausgesprochen worden sind, die mit der Feststellungsklage angegriffen werden sollen, darauf zu achten, dass der Klageantrag klar und präzise formuliert ist, indem jede Kündigung im Klageantrag selbst erwähnt ist.
Rz. 13
Formulierungsbeispiel
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom (…) noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom (…) zum Ablauf des (…) (Datum des Ablaufs der Kündigungsfrist) noch durch die vorsorgliche Kündigung der Beklagten vom (…) zum Ablauf des (…) aufgelöst worden ist bzw. aufgelöst werden wird bzw. aufgelöst wird.
Rz. 14
Möglich sind auch in diesem vorgenannten Fall drei separate Feststellungsanträge, und zwar bezogen auf jede einzelne Kündigung.
III. Schleppnetzantrag
Rz. 15
Der Kläger bestimmt durch die konkrete Fassung des Klageantrages oder der Klageanträge den Streitgegenstand des Kündigungsschutzprozesses. Zusätzlich zu der Kündigungsfeststellungsklage, die den punktuellen Streitgegenstand bildet, kann er eine Feststellungsklage nach § 256 ZPO erheben. Für diese Feststellungsklage besteht das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse dann, wenn nicht nur eine Kündigung angegriffen werden soll, sondern davon auszugehen oder zumindest nicht auszuschließen ist, dass der Arbeitgeber andere Auflösungstatbestände in den Prozess einführt. Dies hat der Kläger in der Klagebegründung auszuführen. Eine Klagerweiterung mit dem Feststellungsantrag, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ungekündigt (oder unverändert) fortbesteht, bestimmt den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zu...