Rz. 6
Der Begriff Mediation ist aus dem englischen eingedeutscht und bezeichnet ein strukturiertes Verfahren, in dem ein speziell geschulter Dritter, der sogenannte Mediator, die Beteiligten darin unterstützt, eine von ihnen selbst im Rahmen des Verfahrens erarbeitete gütliche Einigung zu erzielen. Der Mediator ist dabei gehalten, allen Beteiligten gegenüber neutral, respektive allparteilich von der Grundhaltung her gegenüber zu treten. Er fördert die Eigenverantwortlichkeit und das selbstbestimmte Entscheiden der Parteien und stellt häufig gestörte Kommunikationswege wieder her. Missverständnisse können ausgeräumt werden, Menschen, die einander jahrelang aus dem Weg gegangen sind, sprechen wieder miteinander, nicht über einander.
Ein Schwerpunkt der Tätigkeit des Mediators liegt darin, die Beteiligten zu einer sachorientierten Kommunikation anzuhalten und eine interessenwahrende Eigenbewältigung von Konflikten und Fragestellungen möglich zu machen. Ein Mediator strukturiert die Verhandlung und erarbeitet gemeinsam mit den Beteiligten mögliche Einigungswege und unterschiedliche gangbare Lösungen.
Ein Mediator hat keine eigene Entscheidungskompetenz. Er ist der Vermittler zwischen den Parteien respektive Beteiligten.
Rz. 7
Im europäischen Raum wird als erster Mediator der maßgebliche Verhandler des Westfälischen Friedens, Alvise Contarini, benannt. Er hat zu den Verhandlungen des wegweisenden Vertrags zwischen 1643 und 1648 in Osnabrück und Münster durch das große Vertrauen, das er bei allen Konferenzteilnehmern genoss, als verhandelnder Vermittler zwischen den Fronten beigetragen. Von 1630 an bemühten sich verschiedene Personen um eine Vermittlung zwischen den Konfliktparteien, u.a. der französische König und Papst Urban VII. Erst dem textlich ausdrücklich als Mediator bezeichneten Contarini gelang in jahrelanger Vermittlertätigkeit die Hinführung zu den Friedensverträgen.
Rz. 8
Die Mediation an sich hat sich über einen Zeitraum von über 2000 Jahren hin entwickelt, wobei das Verständnis der Mediation immer weiter ausdifferenziert und insbesondere durch die Formulierung von spezifischen Merkmalen, die eine Mediation ausmachen, beschrieben wurde. Die wissenschaftliche Untermauerung erfolgte erst in den letzten Jahrzehnten. Mediation wird heute verstanden als Verhandlungsverfahren mit folgenden wichtigen Kriterien:
1. |
Teilnahme eines allparteilichen Dritten (Mediator) |
2. |
Einbeziehung möglichst aller von einem Thema respektive Problem betroffenen Parteien und Personen |
3. |
Weitgehende Freiwilligkeit der Teilnahme |
4. |
Ergebnisoffenheit der Verhandlungen |
5. |
Selbstbestimmung der Konfliktparteien |
Rz. 9
Dieses differenzierte Verständnis ist vornehmlich in den letzten 30 Jahren entstanden. Dazu hat vor allem die wissenschaftliche Beschäftigung mit Verhandlungs- und Vermittlungsverfahren in Nordamerika und Europa beigetragen. Die Mediation, wie sie heute bekannt ist, fußt maßgeblich auf den Entwicklungen, die Roger Fisher und William Ury im weltbekannten Harvard-Konzept, dem Klassiker der Verhandlungstechnik, entwickelt haben. Das Harvard-Konzept gilt seit mehr als 30 Jahren als das Standard-Werk zum erfolgreichen Verhandeln.
In Europa, wo viele die Wiege der Mediation sehen, bedurfte es erst der (Wieder-)Entdeckung der in den USA entwickelten Gedanken der 70er Jahre, bevor die Mediation auch auf dem "alten Kontinent" wieder Fuß fassen konnte. Die tiefere Beschäftigung damit erfolgte erst, nachdem viele europäische Fachleute in den USA den Gedanken der Mediation in den 80er Jahren kennengelernt und hinterher ihr Wissen wieder reimportiert hatten.
Die Schwerpunkte der einzelnen Mediationsformen und deren Anwendungsgebiete variieren auch in Europa weiterhin. Die größte Verbreitung in Deutschland dürfte zweifelsohne die Familienmediation haben. Darüber hinaus gibt es Mediation im Täter-Opfer-Ausgleich, Schulmediation, Gesundheitsmediation, sogenannte Umweltmediation (Mediation im öffentlichen Bereich: Umweltpolitik, Wirtschaft und Soziales), politische Mediation und zunehmend in den letzten Jahren Arbeits- und Wirtschaftsmediation. Die Besonderheit der Entwicklung der Mediation in Deutschland liegt darin, dass es eine große Vielzahl von Verbänden und Vereinen gibt, die sich des Themas Mediation annehmen.