I. Grundprinzip Neutralität
Rz. 48
Eines der Prinzipien, die immer wieder genannt werden, ist das Prinzip der Neutralität. Die Neutralität bezieht sich zum einen auf die Rolle des Mediators als Vermittler, der keine Entscheidungsmacht hinsichtlich des Inhalts der Verhandlungen besitzt. Der ebenfalls gebräuchliche Begriff der Allparteilichkeit wird bei Mediation hingegen verwendet, um zu verdeutlichen, dass der Mediator auch als Aufgabe hat, für ein Gleichgewicht zwischen den am Mediationsverfahren Beteiligten Sorge zu tragen. Der Mediator steht nicht, wie es das Wort Neutralität implizieren könnte, sozusagen außerhalb des Verfahrens, sondern ist Beteiligter im weiteren Sinne. Weitere verwendete Begriffe hierzu sind "Unparteilichkeit" und "Balance".
Rz. 49
Die andere Komponente der Neutralität betrifft die Neutralität in der Person des Mediators. Dieser sollte nicht im Abhängigkeitsverhältnis zu einem der Beteiligten stehen oder eine zu starke Nähebeziehung zu einer Partei haben. Einer der häufigsten Gründe für die Weiterverweisung an einen anderen als den zuerst gewählten Mediator ist bei Rechtsanwälten und ähnlichen Beratungsberufen eine bereits erfolgte Vorbefassung mit derselben Angelegenheit, sei es die Vertretung einer der Parteien, sei es die Mitwirkung als Sachverständiger.
Rz. 50
Eine allgemein gültige Formel dafür, ab wann der Grad der Vorbefassung zu einer engeren Bindung geführt hat, gibt es nicht. Daher ist jeder Mediator gehalten, vor Annahme des Mediationsverfahrens seine Neutralität zu beleuchten und auch ggf. lang zurückliegende Tätigkeiten für einen der Beteiligten den anderen gegenüber offenzulegen. Insbesondere bei Unternehmensnachfolgeangelegenheiten ist es nicht unwahrscheinlich, dass über den "Haus-Rechtsanwalt", Steuerberater des Vertrauens oder Berater der Übergeber- oder Nachfolgegeneration die Initiativimpulse für den Angang eines Mediationsverfahrens kommen. Fragen der persönlichen Neutralität sollten hier besonders intensiv betrachtet werden. Nach § 3 Abs. 1 MediationsG hat der Mediator "alle Umstände offen zu legen, die seine Unabhängigkeit und Neutralität beeinträchtigen können".
II. Prinzip der Freiwilligkeit
Rz. 51
Freiwilligkeit ist zu verstehen als "freiwillige Teilnahme". Formal bedeutet sie, dass ein Mediand vom juristischen Standpunkt aus nicht zur Teilnahme gezwungen werden kann. Freiwilligkeit soll die Bereitschaft der Beteiligten sicherstellen, sich Problemen zu stellen und Lösungen selbstständig entwickeln zu wollen. Dabei stellt die Freiwilligkeit auch sicher, dass jede beteiligte Partei jederzeit aus dem Verfahren aussteigen kann, ohne dass dies mit einem Nachteil für sie verbunden wäre. Es ist Aufgabe des Mediators, die tatsächliche Freiwilligkeit der Parteien festzustellen.
III. Grundsatz der Informiertheit
Rz. 52
Informiertheit der Beteiligten bedeutet im Wesentlichen, dass alle Parteien über die entscheidungserheblichen Tatsachen und die Rechtslage umfassend informiert sein müssen, um so eine Akzeptanz der Entscheidungen in diesem Mediationsverfahren auch für die Zukunft gewährleisten zu können. Eng mit dem Grundsatz der Informiertheit hängt der Grundsatz der Verschwiegenheit respektive Vertraulichkeit in der Mediation zusammen. Hierbei geht es um den Umgang mit Informationen, die im Rahmen eines Mediationsverfahrens der anderen Partei bzw. den anderen Beteiligten offenbart worden sind. Die größte Rolle spielt diese Fragestellung bei der Verwendung dieser so erlangten Informationen in einem späteren gerichtlichen Prozess. Die eine Seite dieser Maxime betrifft die Behandlung von Informationen, die der Mediator im Rahmen des Verfahrens erlangt, die andere Seite die der Behandlung von Informationen, die die jeweiligen Parteien nicht außerhalb des Mediationsverfahrens erhalten haben würden.
1. Zeugnisverweigerungsrecht/Verschwiegenheitspflicht
Rz. 53
Durch die Vorschrift des § 4 MediationsG ist der Mediator nunmehr gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet und hat demgemäß nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO im einer Mediation nachfolgenden Zivilprozess ein Zeugnisverweigerungsrecht. Der Mediator kann von allen Beteiligten gemeinsam von der Verschwiegenheit befreit werden. Für strafrechtliche Verfahren verbleibt es bei der Sachlage wie vor dem MediationsG: Nur diejenigen Mediatoren, die schon im Grundberuf über ein strafprozessuales Zeugnisverweigerungsrecht verfügen, wie Anwälte mit § 18 BORA, haben die Möglichkeit, das Zeugnis als Med...