1. Benutzungspflicht
a) Rechtsgrundlage
Rz. 67
Gemäß § 57a StVZO bzw. der am 11.4.2007 in Kraft getretenen EGVO Nr. 561/2006, die die VO 3820/85 insoweit abgelöst hat, besteht für bestimmte Fahrzeuge - im wesentlichen Lkw mit zulässigem Gesamtgewicht ab 7,5 t und Busse mit mehr als 8 Fahrgastplätzen - die Verpflichtung zur Benutzung von Fahrtenschreibern bzw. für die nach dem 30.4.2006 zugelassenen die Verpflichtung, digitale Kontrollgeräte zu benutzen.
Rz. 68
Achtung: Ausnahmen von der Benutzungspflicht
§ 18 Fahrpersonalverordnung (FpersV) enthält zahlreiche Ausnahmen, z.B. für private Transporte oder für Fahrten von Handwerkern, bei denen das Fahren selbst nicht deren Haupt-, sondern nur eine Hilfstätigkeit darstellt (OLG Oldenburg DAR 2005, 648).
b) Lenk- und Ruhezeiten
Rz. 69
Anhand der Tachoscheiben bzw. der Fahrerkarte sollen in erster Linie die Einhaltung der in der VO Nr. 561/2006 vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten kontrolliert werden (zu den Einzelheiten siehe § 24 Rdn 64 ff.).
Verantwortlich für die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften sind neben dem Fahrer auch der Betriebsinhaber bzw. der verantwortliche Geschäftsführer (soweit die Verantwortlichkeit nicht wirksam weiterdelegiert wurde, siehe § 24 Rdn 52 ff.).
Verantwortlich ist aber vor allem auch der Disponent bzw. der Fuhrparkleiter (OLG Düsseldorf NZV 2007, 322).
2. Nachweis von Geschwindigkeitsverstößen
a) Zulässigkeit
Rz. 70
Obwohl die Benutzungspflicht alleine zur Überwachung sozialrechtlicher Schutzvorschriften (Lenk- und Ruhezeiten) eingeführt worden ist, ist nach h.M. die Verwertung des Schaublattes bzw. der Fahrerkarte zum Nachweis von Geschwindigkeitsüberschreitungen zulässig (BGH NJW 1993, 3083; OLG Düsseldorf NZV 1996, 503) und auch geeignet (OLG Hamm DAR 2004, 42).
b) Mitführungs- bzw. Aufbewahrungspflicht
Rz. 71
Die Verpflichtung des Unternehmers (und des Fahrers) zur Vorlage der Schaublätter (bei digitalem Kontrollgerät der Fahrerkarte) besteht auch dann, wenn sich daraus Verkehrsverstöße erkennen lassen und sich der Betroffene so selbst belasten muss, die Regelung ist verfassungsgemäß (BVerfG VKBl 1985, 303).
Rz. 72
Da der Fahrer die Schaublätter (bzw. die Daten) des laufenden und der vorausgehenden 28 Tage mit sich führen muss und der Unternehmer die Schaublätter bzw. die Daten gar ein Jahr lang aufbewahren muss, könnten im Grunde genommen die aus den Daten ersichtlichen Verkehrsverstöße von Rechts wegen bis zur jeweiligen Verjährungsgrenze verfolgt werden (OLG Hamm DAR 2011, 412).
Rz. 73
Tipp
Da dies nach allgemeiner Meinung zu unerträglichen Ergebnissen führen würde, empfiehlt der Bund-Länder-Ausschuss, die Verfolgung der auf solche Art ermittelten Verkehrsverstöße auf die des Tattages und des jeweiligen Vortages zu beschränken. Beim digitalen Kontrollgerät erledigt sich das Problem von selbst, denn im internen Speicher des Kontrollgerätes werden zwar die Daten für einen Zeitraum von 365 Tagen gespeichert, die jeweils gefahrene Geschwindigkeit dagegen nur für die letzten 24 Stunden Fahrtzeit.
c) Auswertung der Tachoscheibe bzw. der Fahrerkarte
Rz. 74
Von der aus der Tachoscheibe ersichtlichen Geschwindigkeit wird grundsätzlich ein Sicherheitsabzug von 6 km/h vorgenommen (OLG Bamberg zfs 2008, 295), andernfalls muss ein Sachverständiger zugezogen werden. Für die Beurteilung von kurzfristigen Überschreitungen muss der Richter ebenfalls einen Sachverständigen hinzuziehen, längere (ab 2 km/h) und gleichbleibende Geschwindigkeitsüberschreitungen kann ein erfahrener Verkehrsrichter, ohne einen Sachverständigen hinzuzuziehen, selbst beurteilen (OLG Düsseldorf NZV 1996, 503; OLG Jena DAR 2005, 44; OLG Bamberg zfs 2008, 295).
Rz. 75
Tipp: Verwertbarkeit
Schaublätter bzw. die entsprechenden Daten sind nur dann verwertbar, wenn sie nach den von der Prozessordnung hierfür vorgesehenen Regeln in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind (OLG Jena DAR 2005, 44).
Rz. 76
Achtung: Verfahrenshindernis?
Da die Bußgeldbehörden den Verstoß zumeist zeitlich und örtlich nicht zuordnen können, geben sie im Bußgeldbescheid die Kontrollstelle oder den Firmensitz des Halters als Tatort an. Dies soll nach Auffassung des OLG Hamm (zfs 1994, 187) und des BayObLG (DAR 1996, 31) ausreichen.
Suhren und LG Münster (DAR 1995, 303) sehen dagegen in einem derartigen Bußgeldbescheid keine ausreichende Verfahrensgrundlage mit der Folge, dass das Bußgeldverfahren wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt werden müsste.
Zumindest aber dann, wenn die einzelnen Geschwindigkeitsverstöße zeitlich nicht so genau bestimmt sind, dass die prozessrechtliche Individualisierung außer Zweifel steht, bildet der Bußgeldbescheid keine ausreichende Verfahrensgrundlage (BayObLG zfs 1995, 354; NZV 1998, 515).
Dabei soll zur Individualisierung auf den Akteninhalt zurückgegriffen werden können (BayObLG DAR 1996, 31; NZV 1998, 515; a.A. BGHSt 23, 336; OLG Karlsruhe Die Justiz 1980, 157).
3. Strafbarkeit von Manipulation
a) Digitaler Tachograf
Rz. 77
Bei dem digitalen Tachografen werden wohl nur Manipulationen am Gerät selbst vorkommen, die dann den Straftatbestand der Fälschung technischer Aufzeichnungen (§ 268 StGB) erfüllen.
Da sich aber noch längere Zeit viele Fahrzeuge mit analogen Geräten im...