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Hat der oben genannte Prüfungsablauf ergeben, dass keine oder keine zur aktuellen Lebens- und Behandlungssituation passende Patientenverfügung vorliegt, hat der Betreuer/Bevollmächtigte nach § 1827 Abs. 2 BGB die Behandlungswünsche festzustellen. Behandlungswünsche können etwa alle Äußerungen eines Betroffenen sein, die Festlegungen für eine konkrete Lebens- und Behandlungssituation enthalten, aber den Anforderungen an eine Patientenverfügung i.S.d. § 1827 Abs. 1 BGB nicht genügen, etwa weil sie nicht schriftlich abgefasst wurden, keine antizipierenden Entscheidungen treffen oder von einem minderjährigen Betroffenen verfasst wurden. Auch eine Patientenverfügung, die nicht sicher auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation des Betroffenen passt und deshalb keine unmittelbare Wirkung entfaltet, kann als Behandlungswunsch Berücksichtigung finden.[17] Behandlungswünsche können auch im Vorfeld mündlich geäußert worden sein. Sie sind insbesondere dann aussagekräftig, wenn sie in Ansehung der Erkrankung zeitnah geäußert worden sind, konkrete Bezüge zur aktuellen Behandlungssituation aufweisen und die Zielvorstellungen des Patienten erkennen lassen.[18] Auch hier muss der Arzt die o.g. Indikationsprüfung sowie die Erörterung mit dem Betreuer/Bevollmächtigten unter Einbindung der Angehörigen gem. § 1828 BGB vornehmen. Sind sich Arzt und Betreuer über die ärztliche Maßnahme einig, hat der Betreuer/Bevollmächtigte aufgrund der festgestellten Behandlungswünsche zu entscheiden (§ 1827 Abs. 2 BGB). Der Unterschied zur bindenden Patientenverfügung ist, dass der Betreuer/Bevollmächtigte hier nicht die vorab getätigte Willenserklärung des Betroffenen abgibt, sondern eine eigene Willenserklärung. Diese unterliegt jedoch grundsätzlich der betreuungsgerichtlichen Überprüfung. Tatsächlich erforderlich wird die betreuungsgerichtliche Genehmigung aber nur dann, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute aufgrund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden Schaden erleidet und zwischen Betreuer/Bevollmächtigtem und behandelndem Arzt kein Einvernehmen darüber besteht, dass die Einwilligung zur oder Untersagung der ärztlichen Maßnahme dem Willen des Betroffenen entspricht (§ 1829 Abs. 4 BGB).

[17] BGH NJW 2016, 3297 (3302).
[18] BGH NJW 2016, 3297 (3302).

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