Rz. 18
Bereits in seinem Beschl. v. 17.9.2014 hat der BGH es als maßgeblich angesehen, dass die entsprechenden Anweisungen, welche zu einem Zeitpunkt erteilt wurden, als ein bestimmter ärztlicher Eingriff noch nicht unmittelbar bevorstand, auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zugeschnitten sind (sog. Kongruenz von Patientenverfügung und ärztlichem Eingriff). Für die Feststellung des behandlungsbezogenen Patientenwillens gelten strenge Beweismaßstäbe, die der hohen Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter Rechnung zu tragen haben. Dabei ist nicht danach zu differenzieren, ob der Tod des Betroffenen unmittelbar bevorsteht oder nicht. Denn § 1827 Abs. 3 BGB bestimmt, dass es für die Verbindlichkeit des tatsächlichen oder mutmaßlichen Willens eines aktuell einwilligungsunfähigen Betroffenen nicht auf die Art und das Stadium der Erkrankung ankommt.
Rz. 19
In seinem Beschl. v. 6.7.2016 stellt der BGH klar, dass allgemeine Anweisungen nicht ausreichen, um einen konkreten Behandlungswunsch zu formulieren und damit eine unmittelbare Wirkung der Patientenverfügung zu erreichen. Von vornherein nicht ausreichend sind allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist. Die Äußerung, "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" zu wünschen, enthalte ebenfalls für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung. Die insoweit erforderliche Konkretisierung könne aber gegebenenfalls durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen.
Rz. 20
Mit dem Beschl. v. 8.2.2017 konkretisierte der BGH im Rahmen der Beurteilung der Voraussetzungen einer für den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen bindenden Patientenverfügung diese Anforderungen weiter dahingehend, dass aus der Patientenverfügung heraus feststellbar sein muss, in welcher Behandlungssituation welche ärztliche Maßnahme durchgeführt oder unterlassen werden soll. Danach genügt eine Patientenverfügung, die einerseits konkret die Behandlungssituationen beschreibt, in der die Verfügung gelten soll, und andererseits die ärztlichen Maßnahmen genau bezeichnet, in die der Ersteller einwilligt oder die er untersagt, etwa durch Angaben zur Schmerz- und Symptombehandlung, künstlichen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr, Wiederbelebung, künstlichen Beatmung, Antibiotikagabe oder Dialyse, dem Bestimmtheitsgrundsatz.
Weiterhin kann die erforderliche Konkretisierung einer Patientenverfügung sich im Einzelfall bei einer weniger detaillierten Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben. Ob in solchen Fällen eine hinreichend konkrete Patientenverfügung vorliegt, ist dann durch Auslegung der in der Verfügung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln, so der BGH in seinem Beschl. v. 14.11.2018. Zusammenfassend hat die Rechtsprechung somit nachstehende Grundsätze für die Bindungswirkung einer Patientenverfügung geschaffen:
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Dieser müssen konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden können. |
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Aus ihr muss sich ergeben, ob sie in der konkreten Behandlungssituation gelten soll. |
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Der Bestimmtheitsgrundsatz ist dann erfüllt, wenn die Patientenverfügung einerseits konkret die Behandlungssituationen beschreibt, in der die Verfügung gelten soll, und andererseits die ärztliche Maßnahme unter Bezugnahme auf die spezifizierte Behandlungssituation benannt und beschrieben ist. |
Es versteht sich von selbst, dass die Erwartungen an die Formulierung der Patientenverfügung nicht zu hoch angesetzt werden dürfen. Vorausgesetzt werden kann nur, dass der Betroffene umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht. Maßgeblich ist nicht, dass der Betroffene seine eigene Biografie als Patient vorausahnt und die zukünftigen Fortschritte in der Medizin vorwegnehmend berücksichtigt. Jedoch muss sich aus dem Text der Patientenverfügung feststellen lassen können, in welcher Behandlungssituation welche ärztliche Maßnahme durchgeführt werden oder unterbleiben soll und welche Zielvorstellungen der Betroffene hat.