1. Vertretungsbedürftigkeit/Einwilligungsunfähigkeit
Rz. 39
Die gesundheitliche Beeinträchtigung des Ehegatten muss nach § 1358 Abs. 1 BGB zur Folge haben, dass der zu vertretende Ehegatte seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge rechtlich nicht besorgen kann. Ob eine Deckungsgleichheit mit der Einwilligungsfähigkeit bestehen soll, ist umstritten. Die Bundesärztekammer sieht diese als Voraussetzung an, andere Stimmen sind der Auffassung, dass die unterschiedlichen Formulierungen des § 1358 Abs. 1 BGB einerseits und der Definition der Einwilligungsunfähigkeit des BGH, die Fähigkeit, Art, Bedeutung, Tragweite und Risiken der Maßnahme zu erfassen und seinen Willen hiernach zu bestimmen, andererseits (Rdn 7, B II 1) dagegensprächen. Auch der vom Gesetzgeber gewollte Gleichlauf zum Betreuungsfall des § 1814 BGB, der nicht automatisch mit der Einwilligungsunfähigkeit gleichzusetzen sei, spreche dagegen. Wie der Wortlaut des § 1358 Abs. 1 in diesem Punkt auszulegen ist, wird Aufgabe der Rechtsprechung sein.
2. Ärztliche Akutversorgung
Rz. 40
Zwar ist das Notvertretungsrecht an die Regelungen zur Betreuerbestellung angelehnt (vgl. § 1814 BGB), Anlass für das gesetzliche Vertretungsrecht von Ehegatten muss aber im Gegensatz hierzu eine akut eingetretene gesundheitliche Beeinträchtigung des Ehegatten infolge eines Unfalls oder einer Erkrankung sein, die auch eine ärztliche Akutversorgung notwendig macht. Zu denken ist beispielsweise an einen Unfall, einen komatösen Patienten oder eine Krankheit wie einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall. Das gesetzliche Vertretungsrecht des Ehegatten tritt auch bei akuten Beeinträchtigungen im Rahmen chronischer, und damit bereits länger andauernder Erkrankungen in Kraft. In diesem Zusammenhang wurde seitens der Bundesärztekammer der schwammige Begriff der "Krankheit" in § 1358 Abs. 1 BGB bemängelt und vorgeschlagen, auch hier den Begriff der Einwilligungsunfähigkeit einzuführen.
3. Ehe oder Lebenspartnerschaft zwischen Vertretenem und Vertretendem
Rz. 41
Zwischen dem vertretenen und dem vertretenden Ehegatten muss eine wirksame Ehe bestehen. Im Übrigen gilt die Regelung grundsätzlich nach § 21 LPartG auch für Lebenspartner, nicht aber für Lebensgefährten.
4. Ausschluss des Ehegattennotvertretungsrechts
Rz. 42
Ausgeschlossen ist die Vertretung, wenn die Ehegatten voneinander getrennt leben. Getrennt leben sie im rechtlichen Sinne nach § 1567 BGB dann, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Ein Getrenntleben liegt daher nicht ohne weiteres vor, wenn z.B. einer der Ehegatten in einem Pflegeheim lebt oder aus beruflichen Gründen vorwiegend in einer Zweitwohnung wohnt.
Rz. 43
Die Vertretung ist außerdem ausgeschlossen, wenn der erkrankte Ehegatte eine Vertretung durch den anderen Ehegatten in Angelegenheiten der Gesundheitssorge ablehnt, z.B. durch einen Widerspruch gegen das Ehegattennotvertretungsrecht. Dieser Widerspruch kann formlos erfolgen und richtet sich in erster Linie an den anderen Ehegatten, er kann aber auch anderen geeigneten Personen bekannt gemacht werden. Da es sich bei der Ablehnung nicht um eine Willenserklärung oder rechtsgeschäftsähnliche Erklärung handelt, sollte eine Äußerung des natürlichen Willens trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 1358 Abs. 1 BGB genügen. Es ist weiterhin möglich, den Widerspruch im Zentralen Vorsorgeregister registrieren zu lassen.
Rz. 44
Nicht zulässig ist die Notvertretung des Weiteren, wenn eine andere Person mit der Vertretung in Angelegenheiten der Gesundheitssorge bereits bevollmächtigt wurde (z.B. durch eine Vorsorgevollmacht) oder wenn für den erkrankten Ehegatten ein Betreuer in Angelegenheiten der Gesundheitssorge bereits gerichtlich bestellt ist. Das Ehegattenvertretungsrecht ist nachrangig zu einer bestehenden Betreuung oder Vorsorgevollmacht (vgl. auch § 1358 Abs. 5 BGB).